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Die deutsche Bundeskanzlerin sagt, es sei ungewiss, ob die Verhandlungen über eine Neuauflage des Friedensabkommens von Erfolg gesegnet sind.

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Der ukrainische Präsident Poroschenko zeigte russische Pässe.

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Es war ein politischer Marathon, und das war Angela Merkel auch anzusehen. Die deutsche Bundeskanzlerin hatte 48 Stunden in Flugzeugen und Verhandlungssälen verbracht. Am Samstagvormittag erstattete eine sichtlich müde Kanzlerin auf der Sicherheitskonferenz in München Bericht über ihre Verhandlungsmission in Sachen Ukraine, die sie mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande nach Kiew und anschließend nach Moskau zu Wladimir Putin geführt hatte.

"Russland gefährdet die Grundlagen des Zusammenlebens in Europa und verletzt Völkerrecht", machte Merkel gleich am Anfang klar. Wer langfristig als Staat erfolgreich und prosperierend sein wolle, muss die Regeln der Partner akzeptieren. Die Grenzen Europas müssten unverrückbar bleiben, die Völker Europas hätten ihr Selbstbestimmungsrecht. Daran sei nicht zu rütteln. Deutschland wolle das auch mit militärischem Engagement deutlich machen: Es unterstütze die schnelle Eingreiftruppe der Nato stark und gewährleiste damit die Sicherheit der Bündnispartner im Osten.

"Die bittere Wahrheit"

Allerdings: "Militärisch ist diese Krise nicht zu lösen", so Merkel. "Putin wird sich von einer Aufrüstung der ukrainischen Armee nicht schrecken lassen. Das ist die bittere Wahrheit." Das Minsker Abkommen vom Herbst – mit einem Waffenstillstand, einer Pufferzone und einer Kontrollfunktion für die OSZE – müsse stattdessen mit Leben erfüllt werden. Das sei das Ziel der Gespräche mit Moskau. Es sei ungewiss, ob diese Erfolg haben. "Aber es ist wichtig, den Versuch zu wagen. Das schulden wir den Menschen in der Ukraine."

Der französische Präsident Francois Hollande sagte nach der gemeinsamen Mission: "Wenn es uns nicht gelingt, nicht nur einen Kompromiss zu finden, sondern einen dauerhaften Frieden, dann wissen wir ganz genau, was die Folge sein wird. Sie hat einen Namen, sie heißt Krieg."

Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf dem Westen in München indes einmal mehr vor, den Konflikt angeheizt zu haben: "Leider ist die strategische Partnerschaft zwischen der EU und Russland so gestaltet gewesen, dass sie diesen Test nicht bestanden hat, sich nicht bewährt hat." Zu einer möglichen Verhandlungslösung für die Ukraine zeigte er sich aber – unter Bedingungen – bereit: "Die Welt befindet sich hier an einem Wendepunkt", sagte er. "Es stellt sich die Frage, ob Sie (der Westen) eine Sicherheitsarchitektur mit, ohne oder gegen Russland errichten wollen."

Streit um russische Soldaten

Eine Beteiligung russischer Truppen an den Kämpfen in der Ukraine bestritt Lawrow indes kategorisch. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko dagegen hielt ebenfalls in München Pässe und Ausweise in die Höhe, die russische Kämpfer in der Ukraine zurückgelassen haben sollen. Es bestehe kein Zweifel daran, dass Moskau seine Soldaten im Osten seines Landes operieren lasse. "Oder will wieder jemand behaupten, dass sie sich in die Ukraine verirrt haben?"

Die amerikanische Delegation in München unterstützte die harte Haltung der Ukrainer und sprach sich gegen reine Diplomatie aus: Senator John McCain, der Vorsitzende des Streitkräfte-Ausschusses im US-Senat, verglich die Mission mit der Appeasementpolitik gegenüber den Nazis in den 1930er Jahren. Insbesondere Berlin sei viel zu zurückhaltend: "Wenn man sich die Haltung der deutschen Regierung anschaut, könnte man meinen, sie hat keine Ahnung oder es ist ihr egal, dass Menschen in der Ukraine abgeschlachtet werden."

Auch der Oberkommandeur der Nato in Europa, US-General Phillip Breedlove, sprach sich dafür aus, in der Krise alle zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen. Auch militärische. Die Vorschläge Putins zur Lösung der Krise, seien "absolut unannehmbar". Der Nato-General zielte auf territoriale Zugeständnisse an Russland und prorussische Kräfte ab. Diplomaten ließen in München Vorschläge zirkulieren, die illegal annektierte Krim und weite Teile des Donbass an Russland und dessen lokale Statthalter in der Ostukraine zu überantworten.

Keine weiteren "Brandbeschleuniger"

Die deutsche Regierung verwehrte sich heftig gegen die Vorhaltungen von der US-Seite. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte, es seien bereits ausreichend Waffen in der Konfliktregion. Es brauche keine weiteren "Brandbeschleuniger". Kanzlerin Merkel wird am Sonntag nach Washington weiterreisen. Dort wird sie auf US-Präsident Barack Obama treffen und die Frage der Bewaffnung der Ukraine mit ihm diskutieren. Obama liegt ein von McCain durch den Kongress gebrachtes Gesetz vor, das Geldmittel für die Aufrüstung der Ukraine frei macht. Der US-Präsident hat das letzte Wort in dieser Sache.

Vizepräsident Joe Biden machte aber bereits in München klar, was die Linie des Weißen Hauses sein wird: "Präsident Putin hat Russland leider weg von Weg zu einer prosperierenden Demokratie geführt, auf die sich Partner verlassen können." Die USA würden fest für das Recht eines jeden Landes auf territoriale Souveränität und Selbstverteidigung eintreten, die Ukraine würde auch militärisch unterstützt: "Wir glauben auch, dass es keine militärische Lösung für den Konflikt gibt. Aber es gibt ein recht auf Selbstverteidigung." (Christoph Prantner, derStandard.at, 7.2.2015)