Wien/Athen - Bundeskanzler Werner Faymann wird sich am Montag mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras in Wien treffen. Am Vormittag ist ein Vieraugengespräch geplant, im Anschluss daran werde es um 12.00 Uhr ein Pressestatement geben, meldete das Bundeskanzleramt.

Bei dem eintägigen Arbeitsbesuch des griechischen Ministerpräsidenten soll laut Kanzleramt neben der aktuellen Situation Griechenlands auch das "Wirtschafts- und Sozialmodell Österreichs" besprochen werden. Tsipras habe hierfür bereits Interesse gezeigt. Auch der Bereich der Jugendbeschäftigung stehe auf der Gesprächsagenda, so das Kanzleramt.

Kritik an "Plan des Abwartens"

Der Bundeskanzler geht indessen weiter auf Distanz zu seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel. Die Bekämpfung der Wirtschaftskrise in Europa "scheitert an Angela Merkels Plan des Abwartens", sagte Faymann im "Kurier" (Sonntagsausgabe). Zugleich äußerte er Verständnis für die Reformpläne des griechischen Premiers Alexis Tsipras.

Der Kanzler kritisierte, dass die Arbeitslosigkeit "von der EU zu wenig entschlossen bekämpft wird". Alles, was die deutsche Kanzlerin Merkel unterstütze, sei "ein wenig verspätet". Faymann erinnerte daran, dass im Jahr 2008 entschlossen gegen die Finanzkrise gekämpft worden sei, weil ein Zusammenbruch des Bankensystems gedroht habe. "Seit es aber "nur" um die Arbeitslosigkeit geht, schaut es so aus, als hätten wir genügend Zeit. Wir haben aber keine Zeit."

Die EU solle einen konkreten Maßnahmenkatalog ausarbeiten, darunter die Bekämpfung des Steuerbetrugs, "vermögensgerechte Steuern für Millionäre, gemeinsame Bonds, Anleihen für Forschung und Bildung". Dies scheitere bisher an Merkel. "Sie wartet, was ihr vorgelegt wird." Dabei unterschätze Deutschland die mittelfristig negativen Auswirkungen des Kaufkraftverlusts. "Würde Deutschland offensiver agieren, wäre dies auch für Österreich ideal, etwa für die Auto-Zulieferindustrie."

Griechisches Kabinett beriet über Schuldenstreit

Vor den Gesprächen mit den anderen Eurostaaten über eine Lösung des Schuldenstreits hat die griechische Regierung am Samstag über ihre weitere Strategie beraten. Im Mittelpunkt der rund dreistündigen Beratungen des Kabinetts standen nach Angaben eines Regierungsvertreters ein "Übergangsplan" bis Ende Juni sowie ein Reformpaket für die kommenden drei Jahre.

Der Übergangsplan solle zunächst die Not eines großen Teils der Bevölkerung lindern, die durch die Sparpolitik der vergangenen Jahre verursacht worden sei, sagte der Regierungsvertreter. "Die Bevölkerung hat mit ihrer Wahl die Regierung beauftragt, die Wirtschaft wieder anzukurbeln sowie einen Reformplan zugunsten gerechterer Steuern, gegen Steuerflucht und Korruption sowie für eine effizientere Verwaltung zu entwickeln", sagte er weiter.

Stellt Regierungsprogramm vor

Am Abend wollte sich Regierungschef Alexis Tsipras noch mit der Fraktion seiner linksgerichteten Syriza-Partei treffen, bevor er am Sonntagabend vor dem Parlament sein Regierungsprogramm vorstellt.

Tsipras Regierung forderte am Freitag von ihren europäischen Partnern eine Überbrückungsfinanzierung, um ohne "Druck und Erpressung" über einen neuen Deal verhandeln zu können. Das aktuelle Hilfsprogramm läuft nur noch bis Ende Februar, die neue Regierung in Athen lehnt die darin enthaltenen Spar- und Reformauflagen aber ab.

Bei ihren Reisen nach Rom, Paris, Brüssel und Frankfurt stießen die Vorschläge von Tsipras und seinem Finanzminister Yanis Varoufakis weitgehend auf Ablehnung, und auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem schloss am Freitag einen Überbrückungskredit aus.

Am Mittwoch, einen Tag vor dem EU-Gipfel, wollen die Finanzminister der 19 Euro-Staaten in einer Sondersitzung über Griechenland beraten. Bei dem Gipfel am Donnerstag wird Tsipras dann erstmals die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen. (APA, 8.2.2015)