STANDARD: Wir würden Sie die zögernden Europäer überzeugen, dass es wichtig ist, Waffen an die ukrainische Armee zu liefern?
Graham: Ich bin der Erste, der zugesteht, dass jede Entscheidung in dieser Frage mit Risiken verbunden ist. Ich schätze Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr. Deutschland war ein guter Verbündeter in Afghanistan. Berlin hat auch geholfen, die Kurden zu bewaffnen. Jetzt stimmen wir nicht überein, wie wir mit einer autokratischen Diktatur umgehen sollen. Bitte verstehen Sie doch, dass Putin nach einem Kosten-Nutzen-Kalkül handelt. Bevor Russland Demokratiebewegungen entlang seiner Grenzen duldet, wird es sie zerstören. Ja, es gibt einen Konflikt in der Ukraine. Aber wenn Rechtsstaatlichkeit irgendeinen Sinn haben soll, dann dürfen solche Konflikte nicht mit russischen Waffen gelöst werden.
STANDARD: Ihr Lösungsansatz?
Graham: Der US-Kongress ist inzwischen einig darüber: Wirtschaftliche und politische Unterstützung für die Ukraine sind essenziell, reichen aber nicht aus. Sanktionen gegen Russland sind der richtige Weg, reichen aber ebenso nicht aus. Was wir vielmehr tun müssen, ist, die Kosten-Nutzen-Analyse Wladimir Putins und seiner Alliierten ins Negative zu drehen. Es ist Zeit, defensive Waffen an die Ukrainer zu liefern. Natürlich birgt das Risiken. Aber das größte Risiko ist doch, einer ums Überleben kämpfenden Demokratie den Rücken zuzukehren und Lügnern den Sieg zu überlassen. Die Welt schaut uns zu. Wir müssen Demokratiebewegungen in der Welt ermutigen, statt sie zu enttäuschen.
STANDARD: Was also sagen Sie den Europäern?
Graham: Ihr seid gute Partner und teilt die gleichen Werte mit uns. Ihr habt die Ukrainer dazu ermutigt, in unsere Richtung zu gehen. Ihr könnt der Ukraine jetzt nicht den Rücken zukehren.
STANDARD: Werden die USA die Ukraine im Alleingang bewaffnen?
Graham: Ich wäre froh, wenn wir eine Koalition bilden könnten. Aber ich bin auch ein Anhänger der Führungsstärke Amerikas. Wenn wir vorangehen, werden Dutzende folgen. Niemand wird führen, wenn Amerika es nicht tut. (DER STANDARD, 9.2.2015)