STANDARD: Was halten Sie von der neuen diplomatischen Offensive gegenüber Russland?

Wallström: Ich unterstütze die Initiative von Kanzlerin Merkel. Genau das wird jetzt gebraucht, denn wir befinden uns an einem sehr gefährlichen Punkt für die Ukraine. Die EU muss geschlossen auftreten, die Ukraine geschlossen unterstützen und geschlossen mit Russland umgehen. Frau Merkel hat verstanden, dass wir an einer wichtigen Weggabelung stehen. Sie versucht mit Präsident Hollande den diplomatischen Weg zu nehmen, das ist risikoreich, aber vernünftig.

STANDARD: Die Reaktion des russischen Außenministers Sergej Lawrow auf die Initiative war - freundlich formuliert - harsch. Ist das diplomatische Fenster schon wieder geschlossen, bevor es richtig aufgemacht war?

Wallström: Merkel hat bisher nichts über konkrete Ergebnisse der Gespräche gesagt. Wir müssen abwarten. Lawrow hat vermutlich das weitergegeben, was er weitergeben musste. Das hat viele überrascht, weil es eine komplett andere Wahrnehmung der Realität ist. Ich bin überzeugt, dass wir mit Diplomatie mehr erreichen können als mit Waffenlieferungen.

STANDARD: Teile der amerikanischen Führung befürworten solche Lieferungen aber, der US-Kongress ist dafür. Die Position von US-Präsident Barack Obama ist noch nicht definitiv festgelegt.

Wallström: Wir sollten jene unterstützen, die nicht an eine militärische Lösung für den Konflikt glauben. Präsident Petro Poroschenko hat sehr klug erklärt, dass Verteidigungswaffen gebraucht würden, nicht tödliche Angriffswaffen. Er hat explizit von Deeskalation gesprochen, um weiterhin einen Kompromiss auf dem Verhandlungsweg erreichen zu können. Alles andere wird nur zu noch mehr Leid führen. Wir müssen stattdessen dort weitermachen, wo wir angefangen haben: bei Sanktionen und klarer Diplomatie gegenüber Russland. Darin sehe ich die Chance, dass Moskau wieder auf einen Dialog einschwenkt und das Minsker Abkommen endlich implementiert werden kann. (DER STANDARD, 9.2.2015)