Es waren harsche Worte, selbst für den notorischen politischen Haudrauf John McCain. Der US-Senator warf dem Gastgeber Deutschland öffentlich "Feigheit" vor. Es war einer der intensivsten Momente der Münchner Sicherheitskonferenz, weil er illustriert, wie blank die Nerven beim dominierenden Thema der Tagung lagen: Die Ukraine-Krise ließ fundamentale Differenzen in der transatlantischen Allianz aufbrechen.

Die - höflich formuliert - exzentrische Realitätsauffassung Russlands, dessen Tatsachenverdrehungen und unverfrorene Propaganda haben die Geduld bei einigen in den USA überstrapaziert. Verließ sich Moskau früher in seinen Kriegen auf Väterchen Frost, setzt es heute auf Väterchen Frust. Die Grundsatzfrage, die Amerikaner und Europäer nun gegeneinander aufbringt, ist, ob diesem Väterchen nun besser mit Waffen oder mit Diplomatie entgegenzutreten sei.

Für beides gibt es gute Argumente. "Diplomatie ohne Waffen ist wie Musik ohne Instrumente", zitierte ein britischer Diplomat in München Friedrich den Großen. Es ist klar, dass Autokraten vom Schlage eines Wladimir Putin nicht zur Kooperation gestreichelt werden können. Aber reicht das schon aus, um sein politisches "Kosten-Nutzen-Kalkül" zu beeinflussen, wie viele Amerikaner mutmaßen? Ja, hat er denn überhaupt ein strategisches Kalkül, oder handelt er von Tag zu Tag nach Maßgabe taktischer Einschätzungen?

In München gab es viele diplomatische Beobachter, die eher letzterer Einschätzung zuneigen. Waffen würden nur zu einer weiteren Eskalation führen und womöglich irgendwann auch dazu, dass europäische Truppen auf ukrainischem Boden kämpfen würden, sagte der ehemalige politisch-militärische Direktor der EU, Robert Cooper, dem Standard. Wenn Putin einen asymmetrischen Krieg führe, müsse man asymmetrisch dagegenhalten - und zwar auf einem Feld, das man selbst dominiere, der Wirtschaft. Die Sanktionen begännen erst zu wirken: "Sie werden uns wehtun, sicher, aber sie werden ihnen mehr zu schaffen machen."

Das setzt allerdings voraus, dass sich "der Westen" (so sagt es Moskaus Außenminister Sergej Lawrow gerne in abschätzigem Ton) nicht von Russland auseinandertreiben lässt. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama müssen bei ihrem Treffen einen Weg finden, um das zu vermeiden. Einfach wird das nicht werden. Obwohl der vorsichtige Obama eher Merkels Linie zuneigt, steht er unter großem Druck des Kongresses.

Gemeinsame Position könnte sein, dass die USA Kiew defensive Waffen liefern, durch die dessen Armee nicht mehr ganz so hilflos Artilleriebeschuss und Drohnenangriffen ausgeliefert ist. Gleichzeitig könnte Obama auch zusichern, mit den jüngsten EU-Sanktionsrunden gleichzuziehen.

Viel wird auch davon abhängen, ob USA und EU die ukrainische Führung davon überzeugen können, im Osten ihres Landes Zugeständnisse zu machen, die auch territorial sein könnten. Nach einem modifizierten Abkommen von Minsk allerdings sieht es vorerst nicht aus, auch wenn für diese Woche ein neuer Gipfel in der weißrussischen Hauptstadt angesetzt ist. Denn Kiew hat nach der stillschweigenden Kenntnisnahme der Annexion der Krim weitere Konzessionen ausgeschlossen.

Trotz aller Bemühungen: Derzeit sieht es so aus, als ob Väterchen Frust noch eine Weile regieren würde. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 9.2.2015)