Im choreografischen Traum zu Hause: Linda Samaraweerová.

Foto: Tanzquartier Wien

Wien - Die Performances des bildenden Künstlers Karl Karner und der Tänzerin Linda Samaraweerová zählen seit zehn Jahren zu den Highlights der zeitgenössischen österreichischen Kunst-Choreografie-Szene. Mit der Uraufführung seines neuen Stücks Würfeln im Tanzquartier Wien lieferte das Duo nun abermals eine exzellente Arbeit ab.

Zusammen mit Andreas Stern und Rainer Böhm verwandelten Karner/Samaraweerová die Tanzquartier-Halle G in eine so sinistre wie funkelnde Unterwelt: mit zahllosen bunten Glühbirnen, nebelgeschwängerter Luft und einer in die Zuschauertribüne gerammten Catwalk-Rampe. Die Besucher mussten auf der Bühne Platz nehmen.

Auf einem hohen Podest stand die Skulptur eines indischen Elefanten, in dessen Tragekorb lange Äste mit farbigen Lichtern steckten. In einen stilisierten Baum waren Frischblumenstäuße drapiert, und auf einem Stein im Hintergrund flackerten Bilder eines geheimnisvollen Films.

Ein einsamer "private dancer" mit Kopfhörern ("Schrotty" Günter Spatz) bewegte sich zu Kängen, die nur in seinen Ohren tönten. Und eine Frau mit langem dunklem Haar (Samaraweerová) tanzte taumelnd zu der Musik, die auch das Publikum vernehmen konnte. Mit schmelzender Ironie geisterte die Stimme von "Herzensmasseur" Sir Tralala durch diesen Hades wie das Gespenst der letzten Hoffnung. Samaraweerová blies zwischendurch in eine Tröte.

Aus dem Podest des Elefanten krochen die vier Tänzerinnen des aus der Ukraine stammenden Wiener Sisters Dance Collective, gefolgt von der Performerin Réka Kutas und ihrem Cello. Kutas' Körper blieb bodennah wie der eines lauernden Raubtiers, die Sisters aber bauten heiter eine Installation aus langen Halmen, in die sie ihre vom Ballett flexibel gemachten Glieder bogen.

Verdunstendes Geschehen

Mit gedämpfter Stimme zischte Samaraweerová einen nicht ganz zarten Text, an dessen Ende es hieß: "Ich bin das, was an dir vorbeizieht." Sir Tralala sang: "Irgendwann wird gewürfelt, und dann sind wir unerhört befreit ..." Kutas hauchte sanft: "Wie im Traum, ein Leben lang / ein Katzensprung mit wildem Schrei ... jetzt ist es weg, für immer weg / jetzt ist es da, jetzt ist es weg ..."

Dieser Hades hat einen heißen Atem. Aus Würfeln spricht eine verdunstende Traumwelt ebenso wie das Echo einer Kultur, die dabei ist, aufzuplatzen. Zu erleben ist ein Underground, in dem die Blase dieser Kultur "einmal durchgeschlitzt" wird, "von oben nach unten", wie es im Text einmal durchklingt. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 9.2.2015)