Elisabeth Stadler, Chefin der Donau Versicherung: "Das wirtschaftliche Umfeld für Versicherungen ist herausfordernd. Bei Sachversicherungen ist der Markt schon ziemlich gesättigt. Bei der privaten Vorsorge gibt es aber noch Aufholbedarf."

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Die Europäische Zentralbank greift im großen Stil nach Staatsanleihen - das wird die Rendite dieser Papiere noch weiter nach unten drücken und auch das Geschäft der Versicherungen beeinflussen.

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STANDARD: Wie lässt sich das aktuelle Umfeld für Versicherungen beschreiben?

Stadler: Es ist herausfordernd. In diesen Zeiten wirtschaftlich erfolgreich zu sein ist nicht leicht. Wir haben eine schwache Konjunktur, die sich auf alle Branchen auswirkt. Als Versicherung sind wir da doppelt gefordert, den Menschen die Sinnhaftigkeit von Absicherung näherzubringen.

STANDARD: Ist eine Zeit wie jetzt eine, in der Menschen auch bei Versicherungen sparen und Verträge kündigen, oder sorgt die allgemeine Verunsicherung für einen Zulauf, weil man sich irgendwo doch absichern will?

Stadler: Sowohl als auch. Einerseits ist das Bewusstsein für Vorsorge deutlich gestärkt. Die Frage, ob die staatliche Vorsorge ausreichen wird, beschäftigt die Menschen. Andererseits steht in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht so viel Kapital zur Verfügung, und da wird noch einmal genauer geschaut, wo man das investiert.

STANDARD: Bei welchen Bereichen gibt es denn noch Aufholbedarf?

Stadler: Der Bereich Schaden- und Unfallversicherung ist in Österreich ziemlich gesättigt. Das Auto muss ohnehin jeder versichern, eine Eigenheimversicherung hat auch fast jeder - hier herrscht schon eher Verdrängungswettbewerb. Potenzial sehe ich in der privaten Vorsorge, im Bereich Lebens-, Pflege- und Unfallversicherung. Es ist noch immer nicht jedem bewusst, dass die gesetzliche Unfallversicherung bei Freizeitunfällen nichts leistet. Da kann man mit relativ wenig Investment eine Absicherung für einen schweren Unfall erreichen. Auch bei Pflege ist das so. Mit negativen Themen setzt man sich halt nicht so gerne auseinander. Man hofft, dass einen das schon nicht treffen wird, und verschiebt eine Entscheidung gerne in die Zukunft. Erst wenn es Fälle im Bekannten- oder Familienkreis gibt, steigt die Bereitschaft, sich auch mit diesen Themen auseinanderzusetzen.

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"Es ist noch immer nicht jedem bewusst, dass die gesetzliche Unfallversicherung bei Freizeitunfällen nichts leistet."
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STANDARD: Die Herzinfarkte und Schlaganfälle treffen aber immer öfter auch jüngere Menschen. Wie ist denn das Bewusstsein für eine Vorsorge in dieser Altersgruppe?

Stadler: Die Jüngeren denken daran leider viel zu wenig. Dabei gilt ja auch: Je früher man eine Versicherung abschließt, desto billiger wird die Rate.

STANDARD: Stichwort Leistung der Versicherung. Im aktuellen Marktumfeld ist es für Versicherungen fast unmöglich, eine hohe Rendite zu erwirtschaften ...

Stadler: Das stimmt, es gibt vor allem im Lebensversicherungsbereich strenge Vorgaben, damit die Kundengelder auch abgesichert sind. Das Niedrigzinsumfeld ist da nicht gerade förderlich. Das zwingt die Versicherer, darüber nachzudenken, wie die Ergebnisse trotzdem stabil gehalten werden können, und da kommt man schnell zum Kostenthema.

STANDARD: Wo dürfen Versicherungen denn noch veranlagen? Solvency II schafft hier auch Vorgaben, Aktien sind zu risikoreich etc.

Stadler: Aktien sind schon noch ein Thema, aber ein sehr kleines. Durch die strikten Vorgaben investieren wir vor allem in Staatsanleihen von sicheren Ländern, die halt nicht viel abwerfen. Diversität ist daher umso wichtiger, um Schwächen auszugleichen. Wir gehen daher stark in Immobilien. Das ist ein sicheres Investment und wirft gute Renditen ab.

STANDARD: Wie wirkt sich Solvency II sonst noch auf das tägliche Geschäft aus?

Stadler: Es wird mehr Gewicht auf den Bereich Sicherheit gelegt. Die Risiken eines Unternehmens werden durch das Regelwerk messbar gemacht. Einige davon müssen mit unterschiedlicher Eigenkapitalhöhe hinterlegt werden. Zudem können interne Modelle auf nationale Gegebenheiten abgestellt werden. Es gibt also ein wenig Spielraum in den neuen Vorgaben, die aber mit der Aufsicht abzustimmen sind. Die Sicherheit der Kunden steht jedenfalls im Vordergrund. Für die Versicherungen schafft es mehr Bürokratie durch erhöhte Reportingpflichten.

STANDARD: Ist die Versicherungsbranche von den geplanten EZB-Anleihenkäufen betroffen?

Stadler: Direkt nicht, indirekt schon, weil die Erträge auf die Staatsanleihen durch den EZB-Ankauf nochmals sinken werden, und das trifft uns dann schon.

STANDARD: Versicherungen basteln wegen des Niedrigzinsumfeldes ja auch an Produkten ohne Garantiezins. Was ist da noch denkbar?

Stadler: Produkte ohne Garantie haben wir seit 2013 im Angebot. Dabei handelt es sich um eine Lebensversicherung ohne Garantiezins aber dafür mit hundertprozentiger Bruttoprämiengarantie.

STANDARD: Verstehen Kunden diese neuen Ansätze, oder ist der Garantiezins etwas, das von einer Versicherung erwartet wird?

Stadler: Diese Produkte sind schon erklärungsintensiver. Die Sicherung der einbezahlten Prämien ist aber etwas, das für Kunden als wesentlicher Vorteil gesehen wird und in Beratungsgesprächen auch ein wichtiger Punkt ist.

STANDARD: Inwieweit haben Versicherungen denn noch Spielraum in der Ausgestaltung der Produkte, um Kunden anzulocken?

"Wichtig ist, dass Kunden wissen, was sie versichert haben und vor allem was in der Polizze nicht abgedeckt ist."

Stadler: Wir haben nach den Eisregenschäden in Niederösterreich nun Eisregen- und Raureifschäden in die Eigenheimversicherung integrierbar gemacht. Wir sind auch um eine rasche Abwicklung in Schadensfällen bemüht. Wir versuchen auch die individuellen Bedürfnisse der Kunden abzudecken. Ein Produkt der Marke "one fits all" ist kein großes Thema mehr. Wichtig ist, dass die Kunden immer wissen, was sie versichert haben und vor allem was in der Polizze nicht abgedeckt ist. Cerankochfelder etwa muss man sehr oft extra versichern lassen. Die sind in der klassischen Haushaltsversicherung nicht automatisch dabei. Auch Leitungswasserschäden können extra ein- oder ausgeschlossen werden. Bei der Haushaltsversicherung muss man beachten, dass nur Schäden versichert sind, die durch Gebrechen der Rohre in der Wohnung passieren. Für Gebrechen in der Mauer ist die Gebäudeversicherung des Wohnhauses zuständig. Es gibt mittlerweile sehr viele Einzelbausteine, hier kommt es schon stark auf die Beratung an.

STANDARD: Wissen die Menschen denn in der Regel, wogegen sie versichert sind?

Stadler: Die Kunden wissen heute deutlich besser Bescheid als früher und sind vor allem über Angebote verschiedener Versicherungen besser informiert. Es ist aber schon auch so, dass nicht immer gewusst wird, welche Bestandteile im Vertrag sind und welche nicht. Oft stellt sich das dann leider erst im Schadensfall heraus.

STANDARD: Wie hat sich denn das Bild des Versicherungsvertreters geändert? Wir hatten mit AWD und anderen Strukturvertrieben zuletzt ja auch viele Schadensfälle. Wirkt sich das auch auf die Versicherungsberater aus?

Stadler: Das hat sich stark verändert. Wir sind deutlich weg vom Verkaufen und viel stärker in die Beratungstätigkeit gekommen. Es geht mehr um individuelle Verträge und persönliche Betreuung.

STANDARD: Wie nutzt Ihre Versicherung soziale Medien?

Stadler: Im Moment sind wir aktiv nicht tätig, wir sehen uns das aber genau an, weil dort ja auch über uns diskutiert wird. In der heutigen Ich-Gesellschaft wird dieses Medium immer wichtiger, von daher überlegen wir, auch hier eine Präsenz zu zeigen und das als Kommunikationskanal zu nützen. Als Vertriebsplattform sehen wir das nicht. (INTERVIEW: Bettina Pfluger, DER STANDARD, 6.2.2015)