Das Ambiente ist stilvoll. Braun tapezierte Wände, schwarze Stühle, metallene Luster. Das Maya Restaurant im Westin Hotel in Avon, Colorado, bietet mexikanische Küche. An diesem Tag aber geht es nicht ums Essen. Der Uhrenhersteller Longines hat zum einzigen Medientermin der US-Skirennläuferin Mikaela Shiffrin während der WM geladen. Und da Mikaela Shiffrin nicht irgendwer ist, sind die Journalisten zahlreich erschienen. Schwarzer Blazer, graues Shirt, dunkelroter Schal, die Haare offen - im Sportoutfit wird man die 19-Jährige noch oft genug während der Titelkämpfe sehen.
Shiffrin hat gelernt, sich gut zu verkaufen - nicht nur auf der Skipiste. Ein lockeres Gespräch führt sie mit dem Interviewer. Es scheint ihr nicht lästig zu sein. Die zweite WM-Woche soll, wenn es nach den Vorstellungen der US-Amerikaner geht, die Woche der Mikaela Shiffrin werden. Der Teambewerb ist nur der lockere Auftakt. Abgesehen hat sie es vor allem auf den Riesentorlauf am Donnerstag und noch mehr auf den Slalom am Samstag. Trotz ihrer Jugend kann sie schon auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken: Olympiasiegerin im Slalom, Weltmeisterin im Slalom, zweimalige Gewinnerin der kleinen Kristallkugel und zwölf Siege im Weltcup.
"Ich fühle mich gut vorbereitet", sagt Shiffrin, "und ich mag es, wenn ich gut vorbereitet bin." Sie fahre gerne in Vail Ski. Sie tut das schon seit ziemlich langer Zeit. Shiffrin wohnt in Eagle-Vail, nur wenige Kilometer von Vail und Beaver Creek entfernt. Also kann sie während der Weltmeisterschaft zu Hause übernachten. "Es ist toll, in meinem Bett zu schlafen." Die Matratze sei ihr von einem Hotel zur Verfügung gestellt worden. "Ich bin eine professionelle Schläferin", sagt sie. Guter Schlaf kann nicht schaden. Es ist nicht wenig Druck, der auf ihr lastet. "Der Druck kann ein harter Gegner sein", sagt Shiffrin. Aber damit hat sie auch schon Erfahrung. Vor zwei Jahren bei ihrer WM-Premiere in Schladming sei sie sehr nervös gewesen. "Aber irgendwie habe ich es geschafft." 17-jährig holte sie Gold. "Ich bin in einer Position, in der man viel Druck hat. Aber ich mag es, in dieser Position zu sein."
Kurze, kleine Krise
Shiffrins Saison hat prächtig begonnen. In Sölden holte sie ihren ersten Weltcupsieg im Riesentorlauf. "Das war schon eine kleine Überraschung", sagt sie. Die Konkurrenz jedenfalls durfte sich fürchten. Denn im Slalom hatte sie bereits die beiden Jahre davor dominiert. In ihrer Spezialdisziplin lief es dann zunächst aber nicht wie erwartet. Ein elfter, ein fünfter, ein vierter Platz in den ersten drei einschlägigen Rennen - die Ansprüche der Mikaela Shiffrin sind andere. Also wurde herumgetüftelt. Mit neuem Ski- und Schuhmodell fuhr sie Ende Dezember im Slalom von Kühtai - und prompt zum überlegenen Sieg. Die erste kleine Krise der jungen Frau Shiffrin war überstanden. In Zagreb siegte sie wenig später erneut.
"Ich habe viel in dieser Saison gelernt", sagt Shiffrin. Der Materialwechsel war nicht die einzige Veränderung. Anfang Jänner erfolgte die Trennung von ihrem österreichischen Langzeittrainer Roland Pfeifer. "Manchmal braucht man einen Wechsel", sagt Shiffrin, die im US-Team nun von Luca de Marchi und Gary Miller trainiert wird. Freilich kümmert sich auch Eileen Shiffrin weiter um ihre Tochter.
Bei der WM, sagt Shiffrin, sei sie auf alle Bedingungen vorbereitet. "Ich muss mein bestes Skifahren auspacken." Das wollte auch Lindsey Vonn, der zweite große weibliche Star im US-Team. Die erste Woche, die hätte nach den Vorstellungen der US-Amerikaner die ihre werden sollen. Aber in ihren Spezialdisziplinen klappte es für die 30-jährige Rekordsiegerin im Weltcup nicht wie gewünscht. Im Super-G holte sie Bronze, in der Abfahrt wurde sie nur Fünfte.
Shiffrin jedenfalls bewundert ihre Landsfrau. "Sie ist die beste Skifahrerin. Sie ist circa 80-mal beliebter als ich." Für Vonn, sagt Shiffrin, sei der Himmel das Limit. "Das inspiriert mich. Und ich mag es, inspiriert zu werden." (Birgit Riezinger - DER STANDARD, 10.2. 2015)