Tourengeher und Freerider sollten sich trotz des prognostizierten schönen Wetters in dieser Semesterferienwoche eher für eine defensive Tourenplanung entscheiden.

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Hohentauern - Der Himmel ist blitzblau, darunter liegt der tiefverschneite, unverspurte weiße Hang. Der erste Wintersportler fährt in das sehr steile Gelände ein, zeichnet die erste Spur in den Pulverschnee, links-rechts-links-rechts. Der nächste Tourengeher wählt seine Linie symmetrisch daneben, der dritte folgt. Stefan Mülleder drückt den Stoppknopf, hält den Film an. "Würdet ihr auch in den Hang einfahren?", fragt der Skitouren-Instruktor des Alpenvereins, Zweigstelle TK Linz, in die Runde.

Viele Augenpaare der Gruppenteilnehmer, die den Alpenverein-Lawinenkurs in den steirischen Rottenmanner Tauern absolvieren, leuchten. Über die Lawinenwarnstufe im Film ist nichts bekannt, die Hangsteilheit wird auf 35 Grad geschätzt. Wetter und Schnee sind aber traumhaft, dazu sind drei Sportler einzeln, wie es empfohlen wird, in den Hang eingefahren und sicher unten angekommen.

Keine absolute Sicherheit am Berg

Mülleder lässt den Film fortfahren. Beim fünften Tourengeher löst sich plötzlich eine riesige Lawine, reißt den Skifahrer mit sich, die Kamera verliert ihn. Laut Mülleder stirbt der Sportler, weil er gegen einen Baum gedrückt wird. Die euphorische Stimmung bei den Lawinenkurs-Teilnehmern ist verschwunden. "Es gibt trotz aller Ausrüstung keine völlige Sicherheit am Berg", sagt Mülleder. "Aber wir können das Risiko minimieren, wenn wir uns an Faustregeln halten."

An die Einhaltung dieser - und auf das Vertrauen ins Bauchgefühl - appellieren der Alpenverein und andere alpine Organisationen. Denn die kommenden Tage bieten im Großteil Österreichs nach den Schneefällen schönes Wetter, aber nur scheinbar perfekte Bedingungen für Skitouren oder fürs Freeriden.

"Die Zutaten sind angerichtet, dass es in dieser Semesterferienwoche richtig heikel wird", sagt Andreas Würtele, Geschäftsführer des Kuratoriums für alpine Sicherheit, dem STANDARD. "Es heißt aufpassen. Die Lawinengefahr ist groß."

Triebschnee und Probleme mit Altschneedecke

Schuld ist der Triebschnee, also vom Sturm der letzten Tage verwehter Schnee, der sich an windgeschützten Stellen ablagert, aber mit den darunterliegenden Schneeschichten nur bedingt verbunden ist. Dazu kommen Probleme mit der Altschneedecke. Nachzulesen ist die Gefahr in den Lawinenlageberichten, die auf www.lawine.at täglich veröffentlicht werden.

Am Montag wurde die Lawinengefahr in Teilen Tirols, Kärntens, Niederösterreichs und der Steiermark als "groß" bewertet, das ist Stufe vier der fünfteiligen Skala. Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Halten sich Tourengeher oder Freerider an die Strategie "Stop or Go" des Alpenvereins, heißt das, dass Geländekammern mit mehr als 30 Grad steilen Hängen tabu sind. Bei Warnstufe drei ("erheblich") sollten Hänge mit über 35 Grad gemieden werden.

Die Warnungen der alpinen Organisationen sind eindringlich: In der aktuellen Skisaison seit 1. November 2014 sind bisher bereits 16 Menschen durch Lawinenabgänge ums Leben gekommen. In der gesamten vergangenen Saison waren es 13 Tote. Am verwichenen Wochenende wurden drei Lawinenabgänge gezählt: Im Salzburger Pinzgau wurde ein Bergretter unverletzt ausgegraben. In Sölden wurde ein Skifahrer leicht verletzt, einen Schwerverletzten forderte hingegen eine weitere Lawine in Tirol.

Demut vor dem Berg

Die Trendsportarten Freeriden und Skitourengehen boomen. Die Industrie und der Sporthandel jauchzen dank dieser Absatzmöglichkeiten, die alpinen Gefahren abseits der gesicherten Pisten lauern aber trotz Sicherheitsequipment (LawinenverschüttetenSuchgerät, Schaufel, Sonde, eventuell Airbag). In Broschüren und Lawinenkursen wird interessierten Wintersportlern von alpinen Organisationen neben dem Spaß im freien Gelände vor allem eines vermittelt: Demut vor dem Berg zu haben. (David Krutzler, DER STANDARD, 10.2.2015)