In den Separatistengebieten hat die Mobilisierung begonnen, um die Kleinstadt Debalzewe östlich von Donezk toben erbitterte Kämpfe. Gemäß Eduard Basurin, "Vizeverteidigungsminister" der "Donezker Volksrepublik" (DVR), haben die Rebellen die Ortschaft Logwinowo eingenommen. "Der Kessel von Debalzewe ist damit offiziell geschlossen", sagte er. Aus Kiew folgte sofort ein Dementi: Die Rebellen seien unter hohen Verlusten zurückgeschlagen worden. Dafür seien am Wochenende 1500 russische Soldaten ins Land eingedrungen, erklärte Armeesprecher Andrej Lyssenko

"Ich denke, wir sollten heftige russische Versuche erwarten, Debalzewe vor dem Treffen am Mittwoch in Minsk einzunehmen, Fakten vor Ort zu schaffen", kommentierte Schwedens Ex-Außenminister Carl Bildt die Schwere der Gefechte.

In Minsk soll am Mittwoch über eine friedliche Lösung des Ostukraine-Konflikts verhandelt werden. Doch die Standpunkte vor dem Treffen sind nach wie vor weit voneinander entfernt: Wladimir Putin forderte eine "Angleichung der Positionen" im Vorfeld, trug mit einem Interview allerdings wenig zur Entspannung bei. Er beharrte darauf, dass der Westen und "nicht Russland an der Ukraine-Krise schuld" sei. Washington habe sich über Moskaus Sicherheitsbedürfnisse und Warnungen hinweg gesetzt, als es sich in der Ukraine einmischte, so der Kremlchef.

Neben dem Streit, ob Russland nun Konfliktpartei oder nur vermittelnder Beobachter ist, geht es beim diplomatischen Hickhack in erster Linie um den Frontverlauf. Der aktuelle hat sich gegenüber dem Minsker Abkommen vom Herbst, das auch für einen neuen Pakt die Basis bleibt, deutlich verändert. Inzwischen konnten die Separatisten rund 600 Quadratkilometer Raum gewinnen und wollen diesen auch nicht abgeben.

Entmilitarisierte Zone

Ein Vorschlag, der das Dilemma aufweichen könnte, stammt von den europäischen Vermittlern Angela Merkel und François Hollande und sieht die Schaffung einer entmilitarisierten Zone vor. Allerdings müsste die Einhaltung dieser Bestimmung von einer dritten Partei überwacht werden.

Merkel und Hollande hatten mit Putin die Entsendung einer Friedenstruppe besprochen. Kiew äußerte sich skeptisch. Die Stationierung eines UN-Blauhelmkontingents dauere ein halbes Jahr, bis dahin sei aber alles zu spät, warnte Präsident Petro Poroschenko. Die Separatisten hingegen wollen einer Militärmission nur zustimmen, wenn russische und weißrussische Soldaten deren Kern bilden.

Kiews Forderung nach Schließung der Grenzen zwischen Russland und den "Volksrepubliken" stößt dort auf Argwohn. Dann sei eine neuerliche Offensive ukrainischer Truppen nicht ausgeschlossen, heißt es. Wegen des allseitigen Misstrauens ist ein Scheitern des Minsker Gipfels wahrscheinlich. Dabei wird es wohl nicht einmal um die politische Zukunft des Donbass gehen. Darüber ist der Streit nämlich noch größer. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 10.2.2014)