Wien - Hallenturnier in Montpellier, vergangene Woche. Die Nummer 65 der Tennis-Weltrangliste, der Tunesier Malek Jaziri, spielt gegen den Usbeken Denis Istomin, auf den Sieger der Partie wartet der Israeli Dudi Sela. Jaziri hat einen guten Tag erwischt, gewinnt den ersten Satz 6:3. Was danach folgt, hat Seltenheitswert. Der Tunesier gibt wegen Ellenbogenproblemen das Match auf. Er ließ sich während des Spiels zweimal von seinem Physiotherapeuten behandeln, und seine Schmerzen würden auch glaubhaft wirken, wäre da nicht diese Episode aus dem Jahre 2013 in Tashkent, wo er sich ebenfalls vom Turnier zurückzog, nachdem er erfahren hatte, dass er in der nächsten Runde gegen Amir Weintraub spielen sollte. Einen Israeli.
Im Frauensport gibt es ähnliche Fälle. Israelische Sportlerinnen werden in den arabischen Ländern auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Der Tennisspielerin Shahar Peer verweigerten die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate ohne Angabe von Gründen das Einreisevisum zum WTA-Turnier von Dubai. Der Verband bestrafte die Organisatoren, Peer durfte im nächsten Jahr wieder teilnehmen.
Statt Olympia
Seit 1948, seit der Gründung Israels, versuchen die Mitglieder der zur gleichen Zeit entstandenen Arabischen Liga, den Staat politisch zu ignorieren. Immer wieder fallen iranische Sportler auf. 2010, bei der Ringer-Weltmeisterschaft in Moskau, zog sich der mitfavorisierte Asienmeister Taleb Nariman Nematpour aus dem Kampf gegen den Israeli Denis Nikolaev zurück - mit der Begründung, er habe Magenprobleme. Kurz davor wollte bei den Olympischen Jugendspielen in Singapur der iranische Taekwondoka Mohammed Soleimani nicht zum Kampf um Gold gegen Gili Haimovitz antreten. Die Rede ist von einem 16-Jährigen.
Manche Sportler geben für ihre Ideologie sogar Olympia auf. Der iranische Judo-Weltmeister Arash Miresmaeili konnte 2004 in Athen wegen angeblichen Übergewichts nicht gegen den Israeli Ehud Vaks auf die Matte gehen. Irans Präsident Mohammad Khatami erklärte den Judoka daraufhin zum "Iranischen Helden" und "Champion der Olympischen Spiele".
Freier Wille oder Angst?
Zuweilen stellt sich die Frage, ob sich Sportler vor Duellen mit Israelis freiwillig, aus vorauseilendem Gehorsam oder aus Angst zurückziehen. Der kenianische Marathonläufer Mushir Salem Jawher verlor seine bahrainische Staatsbürgerschaft, weil er einen Marathon in Israel bestritt. Kein Sport, der nicht betroffen wäre - weder Badminton noch Basketball oder Fechten, weder Tischtennis noch Schach oder Kajak. Beim Kanu-Weltcup 2012 in Duisburg ließ der Algerier Nasreddine Baghdadi nach wenigen Metern das Paddel fallen - ein Israeli, Roei Yellin, war mit auf dem Wasser.
Vieles wird verständlich durch Fußball, den Sport, der die gesellschaftlichen Verhältnisse am besten reflektiert. Da gab es Ashkan Dejagah, einen Deutsch-Iraner, dessen Absage für das U-21-Länderspiel Deutschlands gegen Israel zum Politikum wurde: "Ich bin kein Rassist oder Antisemit. Ich bitte um Verständnis, dass diese Gründe sehr persönlicher Natur sind und in meinem engsten familiären Umfeld begründet liegen", sagte Dejagah. Der Wolfsburg-Spieler musste nach England wechseln, später landete er in Katar - und in der iranischen Nationalmannschaft.
Es gibt keine einheitliche Linie in der Israel-Politik der Arabischen-Liga-Länder, zu denen der Iran nicht zählt. In Staaten wie Ägypten oder Jordanien ist Interaktion mit Israel gesetzlich nicht verboten. Marokko, Algerien und Tunesien fallen so oder so immer wieder durch Boykott auf. Als absolute Hardliner gelten Iran oder Saudi-Arabien. Sie begründen den Boykott Israels politisch. Ob einzelne Sportler die israelische Nahostpolitik oder die blanke Existenz des Staates stört, lässt sich nicht herausfinden. Offiziell bleiben immer nur die Ellenbogenverletzungen. (Tamás Dénes, DER STANDARD, 10.02.2015)