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Hervé Falciani bei einer Vernehmung in Spanien im April 2013 ...

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... und in Paris, Juli 2014.

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Seit sieben Jahren lebt Hervé Falciani zwischen zwei Welten: In der Schweiz zur Fahndung ausgeschrieben, ist er in Frankreich ein Nationalheld. Begonnen hat alles in Monaco, wo Falciani 1972 geboren wird. 2002 betritt er die Bühne der HSBC, womit die verhängnisvolle Affäre zwischen dem Informatiker und der britischen Großbank beginnt. Vorerst arbeitet der leidenschaftliche Pokerspieler für die monegassische Niederlassung, wird aber bereits 2006 als IT-Spezialist für Datenbanken in die Schweizer Zentrale beordert. Nun soll es nur mehr zwei Jahre dauern, bis die gesamte Finanzwelt seinen Namen kennt.

Seine Geliebte – Falciani ist verheiratet und Vater – wird seine Komplizin, als in ihm der Plan reift, Kundendaten der HSBC abzusaugen. In einem Interview mit der französischen Tageszeitung Nice Matin wird er 2013 sagen, er habe den zwielichtigen Geschäften der Bank nicht mehr untätig zuschauen können und es als seine Pflicht angesehen, gegen diese "Parallelwelt" aus Geldwäscherei, Hehlerei und Steuerflucht vorzugehen. Finanzielle Hintergedanken habe er nicht gehabt. Von Hier auf Jetzt taucht er eines Tages im Jahr 2008 nicht mehr bei der Arbeit auf. Seine Wohnung steht leer. Falciani ist auf der Flucht – mit knapp 130.000 Datensätzen im Gepäck. Es sind streng geheime Informationen über Kunden der HSBC. Als der Datenklau auffliegt, vermuten Schweizer Behörden ihn in Nizza. Sie schreiben den Italo-Franzosen zur internationalen Fahndung aus.

Schutz hinter Gefängnismauern

Falciani übergibt die Daten den französischen Steuerbehörden (für die er heute auch arbeitet) und bietet sie auch in Deutschland an. Über einen Kaufpreis in Höhe von 2,5 Millionen Euro wird gemunkelt ebenso wie über den Versuch, an den Libanon heranzutreten. Seine Ex-Komplizin und jetzt auch Ex-Geliebte wird später über ihn sagen, er sei "unermesslich" gewesen. Seither hat der mittlerweile 42-Jährige eine Menge mächtiger Feinde. Falciani fühlt sich verfolgt, sei es von dem einen oder anderen von ihm aufgeblätterten Steuerbetrüger, dann wieder vom Mossad, dem israelischen Geheimdienst. Im Juli 2012 lässt er sich in Spanien festnehmen. Er fühle sich im Gefängnis sicherer als in Freiheit.

Damit er der Polizei auch tatsächlich in die Arme fällt, passiert er die Grenze nicht auf dem Festland; er nimmt vom südfranzösischen Sète aus die Fähre nach Barcelona. Sein Plan geht auf. Er wird kontrolliert, erkannt und inhaftiert. Von seiner Zelle aus ist er in Kontakt mit der spanischen Polizei. "Jeder brannte darauf, die Namen zu erfahren", sagt er in erwähntem Interview. Nach seiner Freilassung ein halbes Jahr später muss er vorerst im Land bleiben und sich zwei Mal pro Woche bei der Justiz melden. Danach lebt er unter geänderter Identität vornehmlich in Frankreich. Spanien hatte ihn nicht ausgeliefert.

Geschmack an der Politik

An die Öffentlichkeit wagt er sich nur mit Leibwächtern. Im Mai 2014 zum Beispiel, als er sich in Spanien als Politiker versucht: Für die Europawahl kandidiert er für spanische Partidio X, die aus der Protestbewegung "Los Indignados" ("Die Empörten") hervorgegangen war. Die vorherrschenden Themen seiner Wahlkampfkampagne waren Korruption und Steuern. Gewählt wurde er nicht.

Er nimmt neuerlichen Anlauf. Diesmal für die spanische Linkspartei Podemos. Seine Aufgabe ist es, demnächst ein Maßnahmenpapier im Kampf gegen Steuerbetrug auszuarbeiten.

Dass das Recherchenetzwerk ICIJ mit insgesamt 45 Medienpartnern die von ihm gestohlenen 59.058 Kundendaten nun ausgewertet hat, wird ihm eine späte Genugtuung sein. Die Recherchen in zwölf Ländern decken ein System von Steuerhinterziehung und Geschäftemacherei mit dunklen Machenschaften auf. 75 Milliarden Euro Kundeneinlagen im Jahr 2007 werden nun unter die Lupe genommen. Die HSBC distanzierte sich von den Praktiken ihrer Tochter in Genf, die belgischen Justizbehörden fordern mittlerweile einen Haftbefehl gegen die führenden Schweizer Manager. Und Falciani? Er fordert mehr Schutz für Whistleblower. Dabei gehe es nicht nur um Personenschutz, stellt er im Schweizer Rundfunk klar, sondern auch um "professionelle und rechtliche" sowie finanzielle Hilfe.

Was seine Enthüllungen betrifft, spricht Falciani von der "Spitze des Eisbergs" und kündigt in der Tageszeitung Le Parisien weitere "schockierende Details" an. (ch, derStandard.at, 10.2.2015)