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Genauso alltäglich wie kompliziert: Bei der Simulation von Wolken ist der Rechenaufwand ob der Komplexität des Phänomens beinahe grenzenlos.

Foto: APA/EPA/ARNO BALZARINI

Innsbruck/Hamburg - Manchmal sind die alltäglichen Dinge auch die kompliziertesten. Zum Beispiel die Wolken, die Tag für Tag über unsere Köpfe hinwegziehen. Sie malen fantastische Figuren an den Himmel, türmen sich zu bedrohlichen Bergen oder hüllen uns in endlos scheinende weißgraue Decken. In gemäßigten Breiten ist ihre Abwesenheit ein wünschenswerter Zustand, in Trockengebieten werden sie dagegen herbeigesehnt.

Nicht nur, dass es diese atmosphärischen Phänomene selten jemandem recht machen. Die Menschen verstehen noch nicht einmal genau, wie sie entstehen, welche Faktoren ihr Verhalten beeinflussen oder wie sie mit ihrer Umgebung interagieren. Geschweige denn, welche Rolle sie im Zusammenhang mit der Bedrohung durch die Erderwärmung spielen.

Armin Hansel von der Uni Innsbruck ist einer, der mehr Licht ins Dunkel der atmosphärischen Zusammenhänge bringen möchte. Am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik beschäftigt er sich mit der Geburtsstunde dieser sichtbaren, schwebenden Ansammlungen kondensierten Wasserdampfs. Die mikroskopischen Wassertröpfchen finden sich nicht einfach spontan zusammen. "Dafür wäre eine Übersättigung der Atmosphäre von mehr als 500 Prozent notwendig", sagt Hansel.

Sie benötigen einen Keim, winzig kleine Partikel, an denen sich die Wassermoleküle binden. Staub, Sand oder Pollen kommen als Kondensationskeime infrage. Etwa die Hälfte der Teilchen entsteht jedoch erst in der Atmosphäre durch das Zusammentreffen von Gasen wie Schwefelsäure oder Ammoniak, sagt der Umweltphysiker.

Reine Wolkenkammer

Unter welchen Bedingungen sie zu Kondensationskernen heranwachsen, untersucht Hansel unter anderem gemeinsam mit Paul Winkler von der Uni Wien am Kernforschungszentrum Cern. Im Rahmen des Großexperiments "CLOUD" (Cosmics Leaving Outdoor Droplets) versuchen Forscher aus ganz Europa, den Geheimnissen der Wolkenentstehung auf die Spur zu kommen.

In einer hochreinen Wolkenkammer können die Gase in kleinsten Mengen eingebracht und ihre Reaktionen beobachtet werden. Zusätzlich kann ein Ionenstrahl aus dem Teilchenbeschleuniger ausgekoppelt und durch die Wolkenkammer geschickt werden. Die kosmische Strahlung ist einer von vielen Faktoren, der die Wolkenbildung beeinflusst. Hansel und seine Kollegen haben eine ganze Reihe gasförmiger organischer Verbindungen untersucht. Nadelwälder tragen etwa durch die Emission sogenannter Terpene, die in der Atmosphäre absorbiert werden, zur Bildung von Kondensationskernen bei.

Besonders interessant sind jene Stoffe, die durch den Menschen in die Atmosphäre gelangen. Der Anteil der Schwefelsäure ist etwa im Zuge der industriellen Revolution angestiegen. Aber auch die Tierzucht trägt zur Aerosolbildung bei. Stickstoffverbindungen wie Ammoniak und vor allem Amine gelangen aus Dung und Jauche in die Atmosphäre und wirken sich auf die Wolkenbildung aus. Die sehr kleinen Aminmoleküle können dabei eine besonders schnelle Keimbildung herbeiführen. Sie tragen aber nur in unmittelbarer Nähe ihrer Quelle zur Wolkenbildung bei.

Mix an Gasen

Entsprechend der Quellen ist der Mix an Gasen von Region zu Region unterschiedlich. Ziel der Forschung ist es etwa, ein globales Modell anzufertigen: eine Landkarte, die darüber Aufschluss gibt, welche Substanzen wo entscheidend sind. Zudem wäre eine Rekonstruktion der historischen Gegebenheiten vor der großflächigen Einflussnahme des Menschen aufschlussreich.

"Es ist nicht so einfach, dass mehr Aerosole mehr Wolken zur Folge haben", sagt Hansel. Neben der verfügbaren Feuchtigkeit kommt es auf die chemische Zusammensetzung und die Größe an. Die Wechselwirkungen bei der Entstehung haben auch Einfluss auf die Strahlungseigenschaften der Wolke. Sehr kleine Tropfen erscheinen weiß und reflektieren mehr Licht in den Weltraum. Wolken, die mit Rußpartikel angereichert sind, absorbieren dagegen Wärme und helfen, die Atmosphäre aufzuheizen.

Wetter- und Klimamodelle sind viel zu grobmaschig, um bestimmte Vorgänge der Wolkenbildung abbilden zu können. Für Cathy Hohenegger, Wolkenforscherin am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, ist das eines der größten Probleme. Sie beschäftigt sich mit atmosphärischen Modellen der Wolkenbildung. Die Anzahl der Aerosole ist für sie nur eine Zahl inmitten der Gleichungen, die die Strömungen in der Atmosphäre beschreiben.

Genaue Prognose unmöglich

Hohenegger konzentriert sich auf die Erforschung sogenannter konvektiver Wolken. "Die Strahlung der Sonne erwärmt die Luft an der Oberfläche und wird leichter. Sie steigt auf, kühlt dabei ab und bildet Wolken", erklärt sie das Phänomen. In gemäßigten Breiten entstehen so im Sommer Haufen- und Gewitterwolken. In den Tropen sind sie die wichtigste Gattung.

Wolken benötigen eine feuchte Atmosphäre für ihre Entstehung, modifizieren aber auch gleichzeitig ihre Umgebung. Diese kleinräumigen Wechselwirkungen mit der umliegenden Atmosphäre seien in den Modellen schwierig abzubilden, sagt Hohenegger. Vorherzusagen, wo genau eine Wolke entsteht, ist kaum möglich. "Wir können sagen, es wird in einer Region konvektive Wolken geben. Ob sie zehn Kilometer weiter nördlich oder südlich entstehen, wäre schwer zu prognostizieren." Man muss die richtigen Parameter finden, um Größenverteilung, Lebensdauer oder die Interaktion mit der Landoberfläche in verschiedenen Größenskalen abbilden zu können.

Hohenegger und ihre Kollegen bedienen sich einer Simulationssoftware, die mit Auflösungen von 100 Metern arbeitet. Wettervorhersagemodelle setzen dagegen einen Raster von mehreren Kilometern. "Das Problem ist, dass konvektive Wolken ziemlich klein sind. Ein paar Schönwettercumuli kann ich nicht simulieren", sagt die Wolkenforscherin. Für eine genauere Auflösung benötigte man Computer mit enormer Rechenkraft. "Solange die nicht vorhanden sind, muss man die Umstände, unter denen die Wolken entstehen, sehr genau verstehen lernen."

Die Simulationen liefern auch Beiträge zur Klimaforschung. Cumuluswolken sind etwa über den Meeren sehr verbreitet. Verändern sich die Mechanismen, die ihnen zugrunde liegen, hätte das weitreichende Folgen. Hohenegger: "Je nachdem, ob tiefliegende Wolken zunehmen oder abnehmen werden, könnte das die Erwärmung dementsprechend verlangsamen oder beschleunigen." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 11.2.2015)