Er ist "Straßenkämpfer" ("Die Zeit"), "Superman" ("Bild"), die Wiedergeburt "antiker Männlichkeit" ("Stern"), der Finanz-Punk (britische Presse). Die europäische Öffentlichkeit, die deutsche zumal, gewohnt an graue Herren in Dreireihern, ist gleichermaßen schockiert und verlockt vom neuen griechischen Finanzminister, der sich mit der EU anlegt.
Die Bewunderung für Yiannis Varoufakis, seinen rasierten Kopf und die dunkelblauen Hemden, die anfangs noch über der Hose hingen, wird schnell umschlagen, sollte der Minister der Links-rechts-Regierung in Athen nicht eine gesichtswahrende Lösung mit Griechenlands Kreditgebern finden. Der 53-jährige Uni-Professor und Blogger wandelt auf einem schmalen Grat zwischen Heldenmut und Lächerlichkeit.
Zu Hause wird er gefeiert, weil er der Troika und dem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble die Stirn bietet. Im Rover, Thessalonikis bester Bar, wird derzeit Varou-Funky serviert (Masticha, Orangenlikör, Zitrone und Pfeffer). Ballast hat Yiannis Varoufakis bei seiner wenig erfolgreichen Blitztour durch Europa jedoch schon abgeworfen. Ein schlichter neuerlicher Schnitt bei Griechenlands Schulden muss nicht sein, so hat der Minister signalisiert, wenn auch nicht wörtlich gesagt.
Kürzungen steigern Defizit
Varoufakis schlägt dafür ein "Menü von klugen Schuldentauschaktionen" vor. Für griffige bis wolkige Formulierungen hat der Schnellredner eine Schwäche. "Der globale Minotaurus" heißt sein 2012 erschienenes Buch über die Finanzkrise. Der kurzzeitige Wirtschaftsberater von Premierminister Giorgos Papandreou (2009–2011) sieht den Kern der griechischen Schuldenkrise in der Konstruktion der Eurozone und der konservativen Steuerpolitik. "Je mehr man kürzt, umso größer wird das Defizit", sagte er vor drei Jahren im Gespräch in Athen. Seine radikale Kritik hat Varoufakis seither nicht geändert.
Die Rolle des Wirtschaftsprofessors und Internetaktivisten, der ohne Rücksicht plaudert und sein Publikum mit kühnen Lösungen für die Finanzprobleme der Welt beeindruckt, hängt ihm nach. Beim Auftritt mit europäischen Amtskollegen wirkt er nun unsicher, seine Argumentation sprunghaft. 2013 ging Varoufakis mit seiner Frau, der Installationskünstlerin Danae Stratou, an die Universität nach Austin, Texas. Griechenland sei hoffnungslos, sagte er damals lachend am Telefon. Doch dann kam Alexis Tsipras. Der Chef von Syriza fand in Varoufakis seinen Mann. (Markus Bernath, DER STANDARD, 11.2.2015)