Markus Müller sorgt sich um die Forschung.

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Wien - "Grottenschlecht". Ein deutlicheres Urteil über das internationale Ansehen der medizinischen Forschung in Wien vor etwa 20 Jahren könnte man gar nicht fällen. Markus Müller, Vizerektor für Forschung an der Med-Uni Wien, hat aber Belege für seine harten Worte. "Wir hatten keinen nennenswerten wissenschaftlichen Output und lagen 40 Prozent unter dem weltweiten Durchschnitt." Auch die Lehre wurde dementsprechend schlecht bewertet.

Heute dürfte sich die Situation gewandelt haben. Die Medizinische Fakultät, die 2004 zur Medizinischen Universität wurde, liegt im Uni-Ranking Times Higher Education under 50, dem Ranking der besten jungen Hochschulen, immerhin auf Platz 36. Im Ranking der besten Medizinhochschulen Europas hält man Platz 14, im deutschsprachigen Raum immerhin Platz drei.

Darüber hinaus haben sich einzelne Fachbereiche - zum Beispiel die Krebsforschung oder die Rheumatologie - in der wissenschaftlichen Community einen Namen gemacht. Dennoch schlägt Müller, Vizerektor der Med-Uni Wien, im Gespräch mit dem Standard Alarm - und das hat gleich mehrere Gründe, die er "als typisch österreichische Anomalien" bezeichnet.

Problem Arbeitszeit

Das neue Arbeitszeitmodell für Ärzte - es sieht maximal 48 Stunden wöchentlich vor - sei kaum kompatibel mit der Realität der medizinischen Forschung. Müller, selbst Professor für innere Medizin und klinische Pharmakologie: "Die Gleichsetzung von Universitätskliniken mit anderen Spitälern im Rahmen des neuen 48-Stunden-Arbeitszeit-Modells, ist ein Problem für die Forschung." Spitalsbetrieb und Lehre müssten ja in dieser Zeit auch absolviert werden. Forschung werde so zu sehr reglementiert. "Scheinbar will man nur mehr ein bisschen Forschung." Eine der Wurzeln des Übels liege in einem Strukturproblem des österreichischen Gesundheitssektors - die medizinische Versorgung sei auf Spitäler konzentriert - "was zu einer Überlastung führt".

Statt die Arbeitsbedingungen letztlich auch für niedergelassene Ärzte attraktiver zu machen, wolle man nun mit der Medizinischen Fakultät Linz noch mehr Ärzte ausbilden. "Wir liegen schon jetzt an der Spitze des OECD-Schnitts bei der Zahl an Medizinabsolventen."

Für die Gründung weiterer Med-Unis hat Müller daher einen recht drastischen Vergleich parat: "Das ist so, als würde man ein Loch im Eimer kaschieren wollen, indem man immer mehr Wasser nachschüttet."

Zu den "österreichischen Anomalien" zählt Müller auch die Dotierung des Wissenschaftsfonds FWF, des größten Förderers für Grundlagenforschung. Man habe im FWF eine eigene "Begutachtungsschiene" für klinische Forschung, das sei begrüßenswert. Letztlich seien aber die rund 200 Millionen Euro, die der FWF jährlich für Spitzenforschung ausgeben kann, zu wenig, um international zu reüssieren.

Die Med-Uni Wien kooperiere natürlich mit Pharmafirmen, aber stets mit einem bestimmten Anwendungsziel. Freie Grundlagenforschung müsse öffentlich gefördert werden - oder durch private Mäzene. Aber dafür müsste das Land als Standort für Grundlagenforschung auch Signale setzen und zeigen, wie viel Bedeutung die Wissenschaft als Teil der Kultur hat. "Da sehe ich aber enormen Aufholbedarf. Wir sind ein schönes Land, wir haben Mozart - und das reicht vielen Meinungsbildnern bis heute." (Peter Illetschko, DER STANDARD, 11.2.2015)