Pheidole-Ameisen bewohnen hohle Blattstile von Pfefferpflanzen. Ist die Pflanze verletzt, vertreiben die Ameisen Eindringlinge.

Foto: Veronika Mayer

Baumbewohnende Ameisenarten haben oft dasselbe Problem wie Autofahrer in stark frequentierten Stadtteilen: Das Fahren geht vielleicht noch gut, das Parken hingegen ist schwierig. In manchen Gebieten, vor allem in den Tropen, stellen Ameisen bis zur Hälfte der Insekten-Biomasse - eine entsprechende Herausforderung ist es, geeignete Plätze für den Nestbau zu finden. Doch auch für sie gibt es eine Art Parkhäuser: sogenannte Ameisenpflanzen oder Myrmekophyten, die ihnen Wohnraum in Form von hohlen Stängeln oder Blattstielen anbieten. Veronika Mayer vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Uni Wien und ihre Kollegen untersuchen solche Myrmekophyten an der Tropenstation La Gamba in Costa Rica.

Von den weltweit 100 Ameisenpflanzen-Spezies wachsen dort gut zehn Prozent, darunter drei Pfefferarten, die der vier Millimeter großen Ameise Pheidole bicornis hohle Blattstiele als Behausung bieten. Diese sind nur der Anfang: Ist die Pflanze erst einmal bewohnt und wächst die Kolonie, fangen die Ameisen an, das Mark der Stängel auszuhöhlen und ihren Wohnraum damit zu vergrößern, wobei die Pflanze aber keinen Schaden nimmt.

Im Unterschied zu den Parkhäusern der Menschen belassen es die Ameisenpflanzen nicht bei Stellplatz und Wohnraum: Sie bieten ihren Bewohnern Vollpension. In Form von Futterkörperchen oder Nektarien stellen sie ihnen Nahrung zur Verfügung.

Schokolade für die Larven

Die drei Piper-Arten in La Gamba sind dabei besonders großzügig: Die von ihnen produzierten Futterkörperchen bestehen vor allem aus Fetten und Proteinen und haben einen Energiegehalt, der dem von Schokolade entspricht. Damit sind sie die nahrhaftesten Futterkörperchen aller bisher gefundenen. Die Ameisen verfüttern sie hauptsächlich als Babynahrung an ihre Larven.

Die Insekten sind also fein raus, aber was haben die Pflanzen davon? Allerhand, wie die österreichischen Forscher zeigen konnten. So legen die Ameisen spezielle Abfallkammern an, in denen sie Futterreste, tote Tiere und Kot entsorgen. Ein Teil der darin enthaltenen Nährstoffe wird von der Pflanze aufgenommen - "eine Art interne Düngung", sagt Mayer.

Die Ameisen patrouillieren außerdem auf jungen Blättern und vertreiben Raupen oder Heuschrecken, die diese fressen wollen. Besonders hilfreich dürfte jedoch sein, dass die Ameisen auf Verletzungen ihrer Pflanze äußerst aggressiv reagieren. Egal, ob Teile der Pflanze abgerissen werden oder Insekten ihren Saft saugen oder ihre Eier hineinlegen, immer werden dabei Zellen voller ätherischer Öle im Stamm verletzt und spezielle Duftstoffe freigesetzt, die die Ameisen auf den Plan rufen. Diese laufen dann in großer Zahl zu der Austrittsstelle, bereit, die Eindringlinge mit aufgerissenen Mundwerkzeugen zu vertreiben.

Eine ganz spezielle Verteidigungsmethode praktiziert eine andere Ameisenart: Azteca brevis überzieht die Ast-Unterseiten ihres Wirtsbaumes mit außen angeklebten Gängen aus einem schwarzen, kartonartigen Material. Dieses besteht zu einem großen Teil aus zerkauter Pflanzenmasse, das von einem dichten Netz dünner Fäden von Schlauchpilzen durchdrungen wird. Ihre genaue Funktion für die Ameisenkolonie wird derzeit erforscht.

Bekannt ist hingegen, wofür die kleinen Löcher dienen, mit denen die Laufgänge übersät sind: Es handelt sich dabei um Fallen im Dienste der Verteidigung. Gerät die Kolonie in Alarmbereitschaft - etwa weil feindliche Insekten, wie Treiberameisen, im Anmarsch sind - setzen sich Azteca-Individuen so in die Löcher, dass nur ihre Mundwerkzeuge herausschauen. Die potenziellen Eindringlinge treten unweigerlich in die Öffnungen, wo sie festgehalten und getötet werden. (Susanne Strnadl, DER STANDARD, 11.2.2015)