Eines der Fake-Plakate für die Berliner Olympiabewerbung 2024. Mehr Sujets finden Sie hier.

Foto: metronaut.de/ „Wir wollen die Spiele. Berlin für Olympia“

Berlin/Wien - Athletische Körper in entschlossenen Posen, blonde Jugendliche, die hoffnungsfroh in die Ferne blicken, und Wehrmachtssoldaten unter Stahlhelmen – die Sujetbilder, auf denen das offizielle Bewerberlogo der Stadt Berlin für die Olympischen Sommerspiele 2024 prangt, erinnern unmissverständlich an die Reklameoptik der NS-Führung für die Ausrichtung der Spiele 1936. Tatsächlich entstammen einige der Bilder, die vergangene Woche als satirischer Beitrag in dem Blog metronaut.de veröffentlicht wurden, der damaligen Propaganda.

Auch der Text zwischen den Bildern gibt vor, dass es sich um eine Veröffentlichung der Initiative "Wir wollen die Spiele. Berlin für Olympia", also der offiziellen Bewerbungskampagne Berlins für die 2024 stattfindende Veranstaltung, handelt.

Ein Sprecher wird mit den Worten zitiert: "Berlin hat die Kraft, einen offenen Umgang mit der Vergangenheit zu pflegen. Berlin hat die Kraft, die Vergangenheit mit der Zukunft zu verbinden. Wir möchten die Diskussion über die Vergangenheit der Olympischen Spiele ganz zu Anfang führen […]"

Sehnsucht nach einem realen Ort

Nicht alles sei 1936, drei Jahre nach der Machtergreifung Hitlers, schlecht gewesen, soll der Sprecher gesagt haben: "Berlin war damals ein Magnet für Menschen überall auf der Welt – und gab der Sehnsucht nach Olympia einen realen Ort."

Rund 4.000 der Plakate in Riefenstahl-Optik sollen ab März in Berlin affichiert werden, um Werbung für ein "neues Sommermärchen" zu machen, hieß es in dem "Neue Motive der Berliner Olympiabewerbung: 'Offener Umgang mit Vergangenheit'" betitelten Satirebeitrag.

Nicht lustig

Die ungebetene Unterstützung fand die Vertretung der deutschen Hauptstadt nicht lustig. Am Montag um 17.34 Uhr erhielt der Blogbetreiber eine Aufforderung des Landes Berlin und des Senats auf Unterlassung der Weiterverbreitung des Artikels. Dafür wurden dem Blogger 26 Minuten Zeit gegeben: "Sie behaupten in vorbezeichnetem Artikel der Wahrheit zuwider, dass die in Ihrem Artikel wiedergegebenen Plakatmotive Plakatmotive der aktuellen Olympiakampagne sind", heißt es in der Abmahnung, und weiter: "Wir fordern Sie auf, sich vertragsstrafbewehrt zur Unterlassung der Verbreitung des vollständigen Artikels wie beigefügt zu verpflichten, und setzen hierfür eine Frist bis heute Abend, 9. Februar, 18 Uhr."

Die Redaktion von metronaut.de entfernte zwar den Namen des Sprechers und die Wortverbindung "Berliner Olympia-Kampagne" aus dem Originalbeitrag, weigert sich aber, die Plakatmotive vom Netz zu nehmen: "Metronaut wird auf die gestrigen Abmahnschreiben und den Versuch, Satire aus dem Netz zu kriegen, keine Unterlassungserklärung abgeben. Es handelt sich um eine zulässige Meinungsäußerung, die nicht untersagt werden kann. Diese ist als Satire erkennbar."

Harsches Vorgehen gegen Nachdenkprozess

Satire müsse wehtun, heißt es in dem Blog. "Sie muss nicht elegant sein, aber sie soll Nachdenken auslösen." Diesen Nachdenkprozess habe das Land Berlin durch sein harsches Vorgehen gegen Satire jetzt unbeabsichtigt verstärkt.

Mittlerweile hat die Auseinandersetzung auch das Berliner Abgeordnetenhaus erreicht. Klaus Lederer von der Linken fragt in einer schriftlichen Anfrage: "Traut der Senat der kritischen Öffentlichkeit zu, Plakate im darstellerischen Stil der 1930er-Jahre, deren Anlehnung an die Propagandakunst der NS-Zeit auf der Hand liegt, von 'echten' Olympiawerbemedien des Senats zu unterscheiden und diese – völlig unabhängig von der Frage, ob die Darstellung durch sie als gelungen oder geschmacklos aufgenommen wird – insoweit als Satire aufzufassen?"

Entscheidung 2017

Wie die angedachte Olympiabewerbung Wiens für 2028 – 72 Prozent der Wiener sprachen sich bei einer Volksbefragung 2013 dagegen aus – stößt auch die Berliner Bewerbung derzeit auf breite Ablehnung. Durch die Ausrichtung werden hohe Kosten befürchtet, Kommentatoren auf metronaut.de kritisieren auch den unreflektierten Lokalpatriotismus.

Die Wahl des Austragungsorts der Olympischen Sommerspiele 2024 wird voraussichtlich im Rahmen einer Tagung des Internationalen Olympischen Komitees 2017 in Lima getroffen. Boston (USA) und Rom (Italien) haben eine Kandidatur angekündigt, in Deutschland ist neben Berlin auch Hamburg noch im Rennen um die Austragung. (mcmt, derStandard.at, 11.2.2015)