Wien - Die ORF-Führung trifft sich kommende Woche zur ersten großen Klausur in diesem Jahr. Einem ziemlich entscheidenden Jahr für die Frage: Wer informiert, unterhält und bildet in Zukunft im ORF? ORF-General Alexander Wrabetz hat seinen Stiftungsräten für Anfang März seine Vorstellungen angekündigt, wie der ORF und seine Programme künftig geführt werden. Stichworte: zentraler Informationschef, Ressorts über alle Medien im neuen Newsroom, je ein Manager und wohl auch Chefredakteur für jeden ORF-Kanal.

Reichenau ruft

Donnerstag und Freitag, zwei Wochen vor dem Stiftungsrat, macht sich das ORF-Management wieder auf nach Reichenau - das in Zeiten der großen ORF-Job-Sparprogramme hier schon als Streichenau an der Rax veralbert wurde. Nun geht es erst einmal um viele neue Führungsjobs im ORF, und die sind wie ohnehin praktisch alle auf dem Küniglberg und in den übrigen Dependancen von hohem politischem Interesse.

Es geht also um Fragen wie: Wer führt ORF 1, wer ORF 2, wer Ö1, wer wird dort Chefredakteur - und vor allem: wer wird zentraler Info-Admiral über alle Medien? Gegen diese Funktion machen Redakteure aller Medien recht munter mobil wie gegen neue Multimedia-Ressorts und Gefahren der Zentralisierung, die ja auf Sicht Jobs kosten könnten (was die Führung verneint).

Personelle Manövriermasse vor der Wahl

Konkrete Kandidaten dürfte Wrabetz wohl weder bei der Klausur noch beim Stiftungsrat Anfang März verraten, jedenfalls nicht in größerer Runde. In Vorwahljahren haben Generäle gerne ordentlich personelle Manövriermasse - 2016 steht die Bestellung der nächsten ORF-Geschäftsführung an. Mit der neuen Struktur schafft sich Wrabetz diesmal mehr Manövriermöglichkeit als in all den Jahrzehnten seit Gerd Bachers ORF-Fundamentalreform Ende der 1960er Jahre.

Inspiration seit 1864

"Inspiration seit 1864", so bewirbt sich der Marienhof in Reichenau, vielleicht geht es auch deshalb wieder in die wuchtige Hotelvilla. Im ältesten Hotel des Sommerfrische- und Sommerspiele-Städtchens geht es an die ORF-Zukunft - und um ihre Behausung. Der Hauptteil des sanierten ORF-Zentrums auf dem Küniglberg steht zur Wiederbesiedelung an, der Zubau eines multimedialen Newscenters steht an. Zusammen ein 300-Millionen-Euro-Projekt, das Newscenter wird intern mit rund 60 veranschlagt.

Für einige Unruhe im Haus sorgt die Aussicht, dass Redakteure und andere Mitarbeiter keine fixen Schreibtische mehr vorfinden sollen - was wohl manchem das zarte Gefühl einer Reise nach Rom vermittelt. Dafür sind 800 neue flexible "Arbeitsmöglichkeiten" vorgesehen - Stehpulte, Besprechungsecken und dergleichen.

Wrabetz und Grasl ganz oben

Die Geschäftsführung indes setzt bei der Sitzordnung eher auf Tradition: Überlegungen, das gesamte Führungsteam im sechsten Stock zu versammeln, sind inzwischen verworfen, auch wenn das Zusammenleben womöglich Stoff für ein neues Dokusoapformat geliefert hätte.

Ganz oben bleiben nach den Wiederbesiedelungsplänen, soweit dem STANDARD bekannt, ORF-Chef Wrabetz und Finanzdirektor Richard Grasl, die immer wieder ganz gerne als gelebter, wiewohl nicht gesetzlich vorgesehener Zweiervorstand auftreten. Die übrigen Direktionen dürften in den Etagen darunter bleiben - etwa Fernsehen im fünften und die Technik im dritten Stock.

Flashmob der Landesdirektoren

Eine neue ORF-Führung braucht die Mehrheit unter den 35 ORF-Stiftungsräten, da haben neun Mandate der Bundesländer Gewicht. Also ist im ORF-Vorwahljahr Regionalisierung ein wesentliches Thema. Diskutiert wird, neben Star- und Adventnächten in diversen Regionen, wie berichtet eine zweite werktägliche Sendung der Landesstudios in ORF 2. Arbeitstitel der Kurznachrichten, die etwa vor der "ZiB 2" laufen könnten: "Ö-Flash". Kolportierte, nicht verifzierte, interne Mehrkostenschätzung für die der fünf- bis sieben Minuten mehr an täglicher regionaler TV-Information: 2,5 bis drei Millionen Euro im Jahr.

Und weil Landesdirektoren dafür verantwortlich wären, den Flash zu füllen, sind auch sie diesmal in den Marienhof eingeladen. Landesdirektoren können auch bei der Bestellung einer ORF-Geschäftsführung eine Schlüsselrolle spielen. Die Landesregierungen sind vorweg über die Kandidaten zu informieren. Und wenn der Kandidat oder die Kandidatin dem Landeshauptmann konveniert, kann es gut sein, dass dem jeweiligen vom Land entsandten unabhängigen Stiftungsrat auch der nominierende General konveniert.

Erst Song Contest

Wie der ORF abseits der Regionalisierung künftig informiert, bildet und vor allem unterhält, Programminhalte also, sind übrigens entgegen ersten Infos doch auch Thema bei der Klausur, jedenfalls nach ersten Infos aus dem Programm. Neben technischen TV-Standards und neuen Apps soll es demnach um die Marktanteile im ORF-Vorabend gehen, wo noch Luft nach oben wäre. Zudem um die TV-Programmierung nach der Europa League.

Vorerst aber dreht sich ohnehin alles um den Song Contest - gleich nach der Klausur, am Freitagabend, zeigt der ORF die Aufzeichnung der ersten Vorauswahlshow.

A propos: Ein alter Bekannter im ORF, Pius Strobl, könnte übrigens auch bei der ORF-Managementklausur vorbeischauen, sagen manche auf dem Küniglberg. Der frühere Stiftungsrat und Ex-Kommunikationschef des ORF ist nun Eventmanager für den Song Contest in Wien. (fid, derStandard.at, 12.2.2015)