Sein oder Nichtsein? Über den eigenen Schatten der Ideologie springen und mit den Partnern der Eurozone über eine Verlängerung des Hilfsprogramms verhandeln, oder das eigene Land an die Wand fahren lassen? Diese Hamlet-Frage muss sich der griechische Premierminister Alexis Tsipras nach den Gesprächen der Eurogruppe in der Nacht auf Donnerstag stellen. Bis spätestens Montag muss sie der Anführer der radikallinken Syriza-Partei, die nichts anderes ist als ein schwieriges Bündnis von Splittergruppen, beantwortet haben.

An diesem Tag treffen sich die Finanzminister der Eurogruppe erneut in Brüssel, diesmal zu einer regulären Sitzung. Und dort muss es ein sehr konkretes Verhandlungsergebnis geben, einen echten Abschluss der griechischen Regierung mit den Geldgebern, sprich mit Eurostaaten, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), wobei die EU-Kommission eingebunden wird, um die Verhandlungen zu bündeln. Das wurde dem griechischen Finanzminister Yiannis Varoufakis am Mittwoch klipp und klar vor Augen geführt, nachdem er seine Vorstellungen präsentiert hatte. Er wollte ein "neues" Programm, in das einige innerstaatliche Reformen zur Hilfe für die sozial Benachteiligten hineinpassen, und vor allem mehr Zeit, rund sechs Monate.

Dazu zeigten sich die Eurominister gesprächsbereit, aber nur unter der Bedingung, dass bisherige Vereinbarungen respektiert werden. Es ist nämlich nicht so, dass man nun ewig Zeit hätte für ideologisches Philosophieren, ob die ganze Eurozone nach der Wahl in Griechenland jetzt einen radikalen wirtschaftspolitischen Kurswechsel machen soll oder nicht. Das glauben nur die (linken) Professoren rund um Tsipras, die gerne mit dem Gedanken einer "Revolution" in Europa spielen.

Die banale Realität sieht ganz anders aus. Es gibt Verträge zum Hilfsprogramm für Athen, die nicht nur von den Regierungen unterzeichnet, sondern auch von einigen nationalen Parlamenten beschlossen sind. Daran ist die Auszahlung der Hilfsmilliarden im Gegenzug zu Staatsreformen, nachhaltiger Budgetsanierung und Sparen fest gebunden. Tsipras hat nun angekündigt, dass er dieses "Programm" als beendet betrachtet. Bliebe er bei dieser Haltung, dann würde etwas sehr Einfaches passieren: Das Programm liefe Ende Februar automatisch aus, Athen würde die noch ausstehenden sieben Milliarden Euro Kredit nicht bekommen, muss aber dem IWF bereits im März 1,3 Milliarden Euro zurückzahlen. Sehr wahrscheinlich würde Griechenland dann ziemlich bald pleitegehen, manche sagen, binnen Wochen, weil die Märkte das Land sofort fallenließen, wenn es einen Bruch mit den Europartnern gäbe. Andere meinen, die neue Regierung könnte sich noch ein paar Monate weiterschleppen. Sie hat ja angekündigt, mit Russland und China über Hilfskredite verhandeln zu wollen.

Nicht nur bei den Experten der Eurogruppe, auch bei den Ministern wird das als "Selbstmord mit Anlauf" eingestuft. Ein Verbleib in der Währungsunion oder gar der EU wäre für Griechenland dann aber in jedem Fall schwierig. Die einzige Möglichkeit, das abzuwenden, ist, dass die griechische Regierung formell um eine Verlängerung des laufenden Programms bittet. Das ist die Grundvoraussetzung, damit man dann über mögliche Anpassungen, über soziale Abfederungen bei den Reformmaßnahmen verhandeln kann. Genau dieser Vorschlag lag am Mittwoch auch schon konkret auf dem Tisch. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hätte es gerne gesehen, wenn die 19 Minister einen einstimmigen Beschluss dazu gefasst hätten, gemeinsam mit dem griechischen. Varoufakis zeigte sich dazu durchaus bereit, berichteten Teilnehmer hinterher. Aber nach einem Telefonat mit Athen wollte er dann doch nicht unterschreiben. Tsipras, so scheint es, wollte nicht "springen". Noch nicht, kann man vermuten, denn er kommt ja am Donnerstag zum EU-Gipfel, wo er den Regierungschefs etwas abtrotzen möchte. (Thomas Mayer, derStandard.at, 12.2.2015)