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Schon jetzt könne jeder, der das wolle, beim Kind bleiben, auch die Väter, sagt Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl.

Foto: reuters/Bader

Wien - Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl will bei den kommenden Kammer-Wahlen für den ÖVP-Wirtschaftsbund wieder in allen neun Bundesländern die Mehrheit erreichen. Eine Zitterpartie kann das laut Beobachtern nur in Wien werden, wo der Wirtschaftsbund vor fünf Jahren mit 50,3 Prozent nur mehr knapp die Absolute erreicht hat. "Mein Wahlziel heißt alle Neune", kündigt Leitl an. Der WKO-Chef spricht sich gegen ein Papamonat in der Privatwirtschaft aus.

Der Wirtschaftsbund hatte bei den letzten Kammer-Wahlen 2010 in allen neun Bundesländern mit absoluter Mehrheit gewonnen. Bundesweit erzielte der Wirtschaftsbund über 70 Prozent der Unternehmer-Stimmen. Leitl zeigt sich auch jetzt zuversichtlich, wieder das volle Vertrauen der Unternehmerinnen und Unternehmer gewinnen zu können - um mit einem eindeutigem Votum "eine klare Mehrheit in einer unsicheren Zeit" zu haben.

Gegen Papamonat

Frauen sollten sich nicht zwischen Beruf und Karriere auf der einen Seite und Familie auf der anderen Seite entscheiden müssen, sagt Leitl. Beim Gründerservice und in anderen Initiativen unterstütze die WKO speziell Frauen bei der Unternehmensgründung. Einen Papamonat in der Privatwirtschaft kann sich Leitl allerdings nicht vorstellen. Schon jetzt könne jeder, der das wolle, beim Kind bleiben, auch die Väter. In den Betrieben müsse diesbezüglich manchmal noch mehr Bewusstsein geschaffen werden. Durch neue Regelungen würden die Menschen aber nur "kopfscheu", warnt Leitl. Derzeit ist es nur für Väter im öffentlichen Dienst möglich, unbezahlten Karenzurlaub innerhalb der zwei Monate vor und während der zwei Monate nach der Geburt zu nehmen.

Wohnbauoffensive

Auf die österreichische Wirtschaft sieht der Wirtschaftskammer-Präsident wachsende Herausforderungen zukommen. Die Arbeitslosigkeit steige, beim Wachstum hinke Österreich hinter Ländern wie Deutschland, Schweden und der Schweiz hinterher. Als Rezepte für mehr Wachstum sieht Leitl etwa eine Wohnbauoffensive, denn Österreich baue jährlich 7.000 Wohneinheiten zu wenig. Mit verstärkter thermischer Gebäudesanierung könne man etwas für Ökologie und Ökonomie gleichzeitig tun. Weiters könnte der Handwerkerbonus ausgebaut werden. Bei den Exporten müsse man sich angesichts der schwachen Lage in Europa verstärkt in Richtung außereuropäischer Wachstumsregionen wie Nord- und Südamerika, China und Indien orientieren.

Einstimmige Beschlüsse

In Österreich drängt Leitl auf eine Stärkung der Kaufkraft durch die Entlastung des Faktors Arbeit in der Steuerreform. Durch eine Kaufkraftstärkung würden Konsum und Investitionen angekurbelt. Die Wirtschaftspolitik sollte dabei nicht mit Parteipolitik vermengt werden. In der Wirtschaftskammer selber seien alle Präsidiumsbeschlüsse der vergangenen Periode einstimmig gefasst worden: Alle hätten sich eingebracht und solange diskutiert, bis ein Konsens erreicht worden sei.

Appell an Regierung

An die Regierung richtet der WKO-Präsident einen dringenden Appell: Sie sollte mehr Reformwillen und Entschlossenheit aufbringen. "Die Zeiten werden rauer. Ich verlange von der Politik, dass sie ernsthafter wird und die Probleme entschlossener anpackt und ihre Hausaufgaben so erfüllt, dass Österreich möglichst bald wieder an der Spitze ist." Österreich brauche dringend Reformen - eine Verwaltungsreform, eine Gesundheitsreform, eine Bildungsreform, mehr Investitionen in Innovationen und eine Steuerreform. Mit "Eigentumssteuern" wie Erbschafts- und Vermögenssteuern könne er sich hingegen gar nicht anfreunden, da diese den Mittelstand treffen würden.

Der Wirtschaftsbund-Obmann verteidigt die Kammer-Pflichtmitgliedschaft, die etwa von der Neos-Liste "Unos" abgelehnt wird. Nur eine solidarische Gemeinschaft könne die Leistungen erbringen, die von der Kammer für alle Mitglieder erbracht werden, vom Gründerservice bis zur Außenwirtschafts-Organisation, die Betrieben bei Exportbemühungen und Internationalisierung unter die Arme greift.

Gegen hohe Verwaltungsstrafen

Ein Anliegen ist dem Wirtschaftsbund-Obmann, dass angesichts zunehmend komplizierterer Regelungen die Unternehmen nicht sofort abgestraft werden, wenn sie die Regelungen nicht zur Gänze erfüllen. Das Motto "Beraten statt Strafen" solle dort gelten, wo nicht durch Vorsatz Regelungen missachtet werden, sondern aus Unkenntnis und falscher Einschätzung. Dann wären etwa hohe Verwaltungsstrafen völlig fehl am Platz, meint der WKO-Chef.

Bei den Unternehmern mit geringem Einkommen fordert er eine Gleichstellung von Selbstständigen mit Unselbstständigen, was für die Unternehmer eine Entlastung bedeute. Die Interessen von Kleinst- und Großunternehmen seien oft die gleichen, meint der WKO-Chef: Weniger Bürokratie, einfacherer Zugang zu Finanzierungen, geringere Steuerlast.

Schließlich ist die Wirtschaft auch für den WKO-Chef nicht das ganze Leben: Die österreichische Gesellschaft dürfe nicht zu einer reinen Arbeitsgesellschaft werden, sondern sollte auch eine Familiengesellschaft sein, appelliert Leitl. Dabei nennt er die Betriebshilfe für Unternehmer mit Betreuungspflichten als wichtige soziale Errungenschaft. Dadurch könne Kleinunternehmern direkt geholfen werden, damit sie nicht ihren Betrieb verlieren.

Die Wirtschaftskammer-Wahlen finden vom 23. bis zum 26. Februar statt, das Ergebnis wird für 27. Februar abends erwartet. (APA, 12.2.2015)