London/Wien - Im Streit um das geplante britische Atomkraftwerk "Hinkley Point C" werden nun Zweifel laut, dass das Projekt im ursprünglich geplanten Zeitrahmen umgesetzt werden kann. Die drohende Klage aus Österreich sowie Verzögerungen bei den Verhandlungen mit den chinesischen Investoren lassen eine Unterzeichnung bis Ende März unrealistisch erscheinen, berichteten britische Medien am Mittwoch.

Die österreichische Regierung hatte im Oktober angekündigt, beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die von der EU-Kommission genehmigten Staatshilfen für Hinkley Point C zu klagen. Diese Klage würde eine mindestens zweijährige Verzögerung des Projekts mit sich bringen, vermeldete der "Guardian". Die "Financial Times" berichtet nun, dass sich auch die Vertragsunterzeichnungen mit den Investoren verzögern.

Der Vorstandsvorsitzende der zukünftigen Mehrheits-Betreibergesellschaft EDF, Jean-Bernard Levy, sagte gegenüber Journalisten am Donnerstag, "wir sind in der finalen Phase der Verhandlungen, aber diese Phase kann noch erhebliche Zeit dauern". Die beiden staatlichen chinesischen Investorenfirmen wollen nicht nur Investoren sein, sondern auch eine "industrielle Rolle" übernehmen, so der Chef des französischen Energiekonzerns.

Mehrheit im britischen Parlament unsicher

Nach den Parlamentswahlen im Mai in Großbritannien droht das Projekt möglicherweise die Mehrheit im Parlament zu verlieren, spekulierte der "Guardian" am Mittwoch. Die oppositionelle Labour-Partei könnte die Wahlen nach aktuellen Umfragen knapp gewinnen. Die Partei hat bisher keine klare Haltung zu Hinkley Point C eingenommen, und will jedenfalls überprüfen, ob die Subventionen die beste Möglichkeit für die Steuerzahler sind.

Am Dienstag wurde eine geheime Depesche der österreichischen Botschaft in London an Wien bekannt, wonach Großbritannien Vergeltungsmaßnahmen gegen Österreich wegen der geplanten Klage plane.

Druck auf Österreich

Laut der Depesche will London eine Klage beim EuGH gegen die österreichische Stromkennzeichnung einreichen, da diese "gegen die Binnenmarktregeln" verstoße. Zudem soll geprüft werden, ob die Klage Österreichs den EURATOM-Vertrag verletze. Als dritter Schritt soll Druck ausgeübt werden, dass Österreich beim EU-internen "Effort Sharing", also der Verteilung der Anstrengungen zum Erreichen der Klimaschutzziele, einen größeren Anteil tragen müsse, wenn es weiterhin Kernenergie nicht als nachhaltige Quelle anerkennt.

Österreich kritisiert die geplanten Staatshilfen für Hinkley Point. Aus Sicht Österreichs sind alternative Energieformen förderungswürdig, nicht aber die Kernkraft. Außerdem wurde der Kritikpunkt der Wettbewerbsverzerrung geäußert. Großbritannien betonte indes, dass die Investitionen notwendig seien, um den Strombedarf des Landes auch in den nächsten Jahrzehnten decken zu können. Hinkley Point C ist der erste AKW-Neubau in Großbritannien seit Jahrzehnten und Teil des Vorhabens, ältere Reaktoren, die in den nächsten Jahren stillgelegt werden sollen, zu ersetzen.

Faymann will mit Cameron reden

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) will am Rande des EU-Gipfels in Brüssel mit dem britischen Premier David Cameron AKW reden. Es gebe seitens Großbritannien "eine Art Drohung" , dass Österreich durch solche rechtlichen Aktionen schaden wolle, sagte Faymann.

Der Kanzler erklärte vor Beginn des EU-Gipfels, "ich werde das klarstellen. Ich werde den Premierminister darauf ansprechen". Die österreichische Haltung sei auch schriftlich zusammengefasst. "Österreich lässt sich nicht drohen, und ich hoffe daher, dass das ein Missverständnis ist", sagte der Bundeskanzler. (APA, 12.2.2015)