Bild nicht mehr verfügbar.

Der Ärger mit dem Server verstärkt die Angst der Schüler vor der Zentralmatura.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Viele Fehler des Bildungsministeriums und des Bifie, kleinere und größere Skandale, haben wir Maturanten willig über uns ergehen lassen, verständnisvoll akzeptiert. Immerhin sind wir der erste Jahrgang, der die Zentralmatura durchführen wird. "Versuchskaninchen", wie wir uns selbst zu bezeichnen pflegen. Doch die Panne des Servers, auf dem die vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA) hochgeladen werden sollten, schlägt dem Fass den Boden aus und schürt die bereits große Angst der Schüler vor der Matura noch mehr.

Deadline: Freitag, der 13.

Die neue Zentralmatura, die ab dem diesem Jahr an allen AHS Österreichs durchgeführt werden soll, besteht aus drei Säulen. Die erste davon: eine vorwissenschaftliche Arbeit. Die Schüler verfassen eine Arbeit zu einem Thema ihrer Wahl, die in schriftlicher Form schulintern abgegeben und in elektronischer Form auf die VWA-Homepage hochgeladen wird. Die Deadline dafür in Wien und Niederösterreich ist Freitag, der 13. Februar. Wer seine Arbeit nicht rechtzeitig einreicht, wird automatisch negativ beurteilt. So weit die Theorie.

"Ups", Serverabsturz

Die Praxis sieht anders aus. Schüler mussten nun feststellen, dass die VWA-Homepage abgestürzt ist, weil der Server überlastet war. Beim Versuch, die Arbeit hochzuladen, erscheint derzeit die Fehlermeldung "Ups, das hätte nicht passieren sollen". Dieser Meinung sind viele Schüler auch.

Die Behauptung, man hätte seine VWA ja bereits vor Wochen einreichen können, kann hierbei nicht geltend gemacht werden. Erst am Mittwoch wurden noch neue Regelungen verabschiedet. Das Ministerium fordert es somit förmlich heraus, dass alle Schüler ihre Arbeit erst auf den letzten Drücker hochladen.

Pannen von Anfang an

Schwierigkeiten wie diese sind bereits von Anfang an absehbar gewesen. Vor anderthalb Jahren haben wir die ersten Informationen zur VWA erhalten, begonnen, an unserer Forschungsfrage zu arbeiten, und ein Buch mit allen möglichen Richtlinien bekommen. Die Absurdität dabei: Das VWA-Buch war nach wenigen Wochen nicht mehr aktuell und somit reif für den Papierkorb, die Forschungsfrage abgeschafft. Anderthalb Jahre hindurch wurden Regeln eingeführt und wieder abgeschafft, kaum Informationen verbreitet und Schüler wie Lehrer in ihrer Ratlosigkeit alleine gelassen. Im April müssen wir unsere Arbeit präsentieren, doch auch über den Ablauf dieser Präsentation wissen wir in keiner Weise Bescheid.

Kaum durchdacht

Das "Projekt" Zentralmatura wird landesweit durchgeführt, kostet den Steuerzahler Millionen und ist trotzdem kaum durchdacht. Bereits der vorige Maturajahrgang hätte an der neuen Reifeprüfung teilnehmen sollen. Damals wurde der Start verschoben, weil das Projekt noch nicht genug ausgereift war. Die Frage, die sich stellt, ist jedoch, ob die Zentralmatura jetzt ausgearbeitet genug ist. Bei einem Seminar zu diesem Thema im Oktober des vorigen Jahres verlangten Professoren Auskunft über die mündliche Matura. Es gab zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht einmal den Ansatz eines Planes. Ein sogenanntes "Expertenteam" kümmert sich seitdem mehr oder weniger schnell um diesen Sachverhalt, hoffentlich in dem Wissen, dass die Matura in drei Monaten über die Bühne gehen soll.

Vergleichbarkeit?

Ein weiterer, haarsträubender Aspekt betrifft die schriftliche Mathematik-Matura. Im Dezember wurde eine Probematura vom Bifie veröffentlicht und in einigen Schulen als Schularbeit ausgetestet. Die Resultate waren besorgniserregend schlecht. Das neue Format der Mathematik-Matura ist für Schüler undurchschaubar und sinnlos, da es anscheinend nur mehr auf genaues Lesen der Angabe und oberflächliches Verständnis ankommt. Echte Rechenkenntnisse werden kaum mehr abgeprüft. Auch das Beurteilungssystem in Mathe bringt Schwierigkeiten mit sich, da ein "Sehr gut" praktisch nicht mehr erreicht werden kann. Vielleicht deswegen haben die Mathematiklehrer den Auftrag bekommen, nicht immer nach dem Punkteschema zu arbeiten, sondern in manchen Fällen auch nach dem eigenen Ermessen zu beurteilen. Die Vergleichbarkeit der Matura an allen Schulen Österreichs ist somit wieder nicht garantiert.

Um die Pannenserie im Zusammenhang mit der neuen Reifeprüfung zu komplettieren, muss auch noch die Version der Zentralmatura erwähnt werden, die im vorigen Jahr an manchen Schulen bereits durchgeführt wurde. Hier ist nach der Abgabe der Englisch-Matura der Prozentsatz, der für eine positive Beurteilung notwendig ist, um sechs Prozent erhöht worden, und bei der Deutsch-Matura wurde die Interpretation eines Textes von einem nationalsozialistisch eingestellten Autor verlangt. Man könnte beinahe lachen über diese Farce, wenn sie nicht unser gesamtes weiteres Leben bestimmen würde.

Vertrauen schwindet

Unter all diesen Gesichtspunkten ist es wohl offensichtlich, dass unsere Angst vor der Zentralmatura täglich steigt. Was wird im Mai und Juni passieren? Wird die Matura überhaupt stattfinden können, oder stürzt am Tag der Reifeprüfung der Server erneut ab? Unser Vertrauen schwindet mit jedem einzelnen Fehler, nicht nur in die Zentralmatura, sondern auch in das Bildungsministerium selbst, eine öffentliche Institution, die uns Schüler frustriert und resigniert zurücklässt. Bei der Reifeprüfung wird von uns verlangt, kompetenzorientiert zu arbeiten. Wo jedoch bleibt die Kompetenz des Bifie und des Ministeriums? (Eva Karlinger, derStandard.at, 12.2.2015)