Die Polizei sprach von einer Oxidation durch Streusalz. Unsinn, meinen Hersteller und Winterdienst der Stadt. Mit Salz reagiert ein Messingstein so nicht.

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Graz – Arnold Körner. Dieser Name steht auf einem der 51 Stolpersteine, die seit 2013 vom Künstler Gunter Demnig in Graz verlegt wurden. Am Mittwoch konnte man weder den Namen des 1939 vor den Nazis geflohenen Mannes auf dem Messingstein in der Oeverseegasse lesen, noch sonst etwas. Alle biografischen Daten waren unkenntlich gemacht worden. Ein Anrainer fotografierte den Stein und twitterte ihn über seinen Blog. Daniela Grabe, Grünen-Gemeinderätin und Obfrau des Vereins für Gedenkkultur in Graz, der die Verlegungen der Gedenksteine für Opfer des NS-Regimes organisiert, alarmierte am Mittwochabend sofort die Grazer Polizei, um Anzeige zu erstatten. Während Grabe auf ein Wachzimmer zitiert wurde, fragte der STANDARD bei der Polizei nach, ob man etwaige Spuren beim Stein in der Oeverseegasse gefunden habe. Daraufhin wurde ein Streifenwagen zum Stein geschickt.

Fall erledigt

Wenig später kam der Rückruf des Polizeisprechers: "Die Beamten haben drüber gewischt, man kann alles wieder lesen. Da ist wahrscheinlich nur Streusalz oxidiert." Fall erledigt.

Auch Grabe, die noch nachts zum Stein fuhr, erzählten die Beamten, sie hätten "den Stein schon geputzt, eine Anrainerin hätte ihnen Putzzeug geborgt. Das ist doch bizarr", wundert sich Grabe, "vielleicht war das nett gemeint, aber wenn da Spuren waren, sind sie jetzt weg". Der STANDARD fragte bei der Holding Graz nach, ob der Winterdienst ausgerechnet in dieser Gasse ein besonderes Salz verwende, da kein anderer Stein irgendeine Veränderung aufwies. "Wir verwenden Salinensalz, wie international üblich", so der Sprecher der Holding. Nachgestreut wurde aber in den letzten Tagen gar nicht. Das Wetter ist seit Tagen mild in Graz. Seitens der Holding glaubt man nicht, dass nur ein Stein mit dem Salz reagieren würde, wo doch alle Steine aus dem exakt gleichen Material seien.

Auch der Kölner Künstler Demnig, der in ganz Europa 51.000 Stolpersteine verlegt hat, sagt: "Sorry, aber Streusalz kann keine solche Oxidation hervorrufen. Das sieht nach einer sauren Reaktion aus". Ebendies meint auch der Hersteller der Steine, der Berliner Metallhandwerker und Bildhauer Michael Friedrichs-Friedländer: "Salz alleine kann das nicht, da hat jemand Säure oder Lauge oder irgendetwas, was nicht auf die Straße gehört, ausgekippt. Das hat dann so mit dem kupferhaltigen Messing reagiert."

Mit diesen Aussagen vom STANDARD konfrontiert meinte ein mit dem Fall beauftragter Polizist am Donnerstag: "Wir werden uns das noch einmal anschauen." Ob man vor dem Putzen Proben genommen habe, um zu analysieren, was nun wirklich auf den Stein aufgetragen wurde? "Nein, es wurden keine Proben genommen", so der Beamte. Er fand es nicht ungewöhnlich, dass die Beamten den Stein putzen, anstatt Spuren zu sichern: "Natürlich schaut man zuerst einmal, ob das leicht oder schwer heruntergeht."

Zuletzt wurden in der Stadt Salzburg immer wieder Stolpersteine beschmiert. Dort verwendete man schwarze Teerfarbe. Zwei junge Männer wurden deshalb im Jänner in erster Instanz zu fünf und vier Jahren Haft verurteilt. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 13. 2. 2015)