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Cho Hyun-ah wurde zu einem Jahr Haft verurteilt.

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Wäre Cho Hyun-ah eine gewöhnliche Südkoreanerin, dann müsste ihre Geschichte wohl als kafkaeske Verstrickung mit der Justiz erzählt werden: Eine verheiratete Mutter von Zwillingen wird zu einem Jahr Haft verurteilt, weil sie zwei Stewards gedemütigt und zur Verspätung eines Fluges um zwanzig Minuten geführt hat. Alles halb so wild, könnte man meinen.

Doch Cho Hyun-ah ist nun mal eine der reichsten Frauen Südkoreas, stammt aus einer führenden Unternehmerfamilie und ist damit Teil jener feudal-aristokratischen Wirtschaftselite, die sich immer wieder über dem Gesetz wähnt. Allzu oft kam sie damit durch. Diesmal jedoch zeigt die südkoreanische Justitia kein Erbarmen.

Grund des Anstoßes war eine ganz gewöhnliche Portion Macadamia-Nüsse, die die 40-Jährige auf ihrem Flug von New York nach Seoul geordert hatte. Statt den Snack - wie in der ersten Klasse vorgesehen - in einer Schale zu servieren, hielt ihr die Stewardess die bloße Plastikverpackung vor die Nase. Mehr brauchte es nicht, um Cho - befeuert von zwei Achterl Rotwein - zu einer Hasstirade anzustiften, die auf Twitter unter dem Hashtag #nutrage weltweit für Erheiterung sorgte.

In Südkorea ist die Nussaffäre Symbol für weit mehr. Sie wird als Metapher für die wachsende Ungleichheit des Landes gesehen: Weil der Familie von Cho die Fluglinie gehört, würde sie das Personal als ihr Eigentum betrachten, so der Vorwurf.

Als der Fall publik wurde, sah die südkoreanische Öffentlichkeit eine ihrer mächtigsten Figuren nicht nur metaphorisch auf die Knie gehen: Während einer Pressekonferenz verbeugte sich Cho medienwirksam vor einem Flugzeug der Korean Air. Sechs Korean-Vorstände versuchten gleichzeitig, den Kabinenchef zu einer Falschaussage zu zwingen.

Chos Familie leitet eines der großen wirtschaftlichen Konglomerate des Landes, die einst den Motor für den rasanten Wirtschaftsaufschwung des Landes bildeten. Längst sind sie so mächtig geworden, dass Südkoreas Volkswirtschaft von einer Handvoll Familiendynastien abhängt.

Die Staatsanwaltschaft bezichtigte Cho in ihrer Urteilsverkündung nun, die Würde Südkoreas im Ausland beschädigt zu haben. Vor allem aber hat sie dem Familienunternehmen geschadet: Seit Beginn der Untersuchung vor zwei Monaten sank der Marktwert von Korean Air um 217 Millionen Dollar. (Fabian Kretschmer, DER STANDARD, 13.2.2015)