Monumentale Betonobjekte von Justin Matherly stehen in der Secession radikal entleerten "Landschaftsbildern" des britischen Minimalisten Bob Law gegenüber.

Foto: Jorit Aust, Secession

Zur Ausstellung "Artists and Poets" in der Secession gehört auch eine Serie von bemalten Abgüssen des Hinterns der Künstlerin Andra Ursuta. Ihnen gegenübergestellt: Computergrafiken von Michael Williams.

Foto: Jorit Aust, Secession

Wien - Von den vielen Gründen, aus denen Künstler im 20. Jahrhundert zum Nichts kamen, war es bei Bob Law (1934-2004) das Streben nach Abstraktion. Der Brite suchte sie am Rücken im Gras liegend. Ende der 1950er-Jahre zeichnete Law Landschaftsbilder mit schlichten Symbolen, die er auf einer zittrigen Linie entlang der Leinwandränder anordnete. Irgendwann blieben auf den großformatigen Bildern - neben ironisch zu verstehenden Datumsangaben - nur mehr diese Umgrenzungslinien übrig.

Wenn der Minimalist Law den subjektiven Ausdruck in seinen Bildern bis zum Äußersten reduzierte, so tat er dies im Bewusstsein der eigenen Winzigkeit in einem riesigen Universum. Aus solchem Gefühl heraus überließ Law dem weißen Nichts, das gleichzeitig alles sein kann, den Bildraum. Alles Gewichtige nahm er aus seinen Bildern zurück.

Eine mögliche Antithese zu Laws radikal ephemeren Bildern sind die Objekte von Justin Matherly (geb. 1972): Der New Yorker konstruiert aus Betonelementen Monumente, die von Drahtbindern oder Schrauben zusammengehalten werden und auf krückenhaften Stützkonstruktionen platziert sind. Seine zusammengestückelten Affen-, Adler- oder Löwenköpfe wirken ein wenig wie archäologische Reparaturfälle und verströmen doch den Geist von Kulturen, die sich ihrer Relevanz für das Universum sicherer waren als Bob Law. Matherlys massive Objekte erinnern an gerade solche Landschaftsmerkmale, die der britische Minimalist wegabstrahiert hätte.

Minimal - monumental

In der Secession gibt es derzeit die Möglichkeit, Law und Matherly in einer direkten Gegenüberstellung zu erleben. Das Gespann aus dem (Nicht-)Zeichner und dem Bildhauer ist eines von sieben, die der Schweizer Künstlerkurator Ugo Rondinone für die Ausstellung Artists and Poets zusammengestellt hat.

Dabei kann der Titel der Schau zunächst in die Irre führen. Poesie im engeren, literarischen Sinne findet sich nämlich nur in der eher aufgesetzt wirkenden Installation Dial-a-poem von John Giorno: Per Telefon hört man Gedichte österreichischer Schriftsteller, zusammengestellt von der Schule für Dichtung. Schön. Aber für die Schau eigentlich nur Draufgabe. Deren Stärke liegt dort, wo Rondinone das poetische Moment in der bildenden Kunst in den Fokus rückt: jene Unerklärlichkeit, die Spezialität der Lyrik sei.

Für Secessionspräsident Herwig Kempinger markiert Artists and Poets indes auch eine Gegenbewegung zur Tendenz der vergangenen Jahre, die Kunst als wissenschaftliches Analysetool zu verwenden. Den unauflösbaren Rest von Kunstwerken in den Mittelpunkt zu rücken, sich ihr also ohne Denkvorgaben anzunähern, findet Kempinger erfrischend. Und so möchte Ugo Rondinone über sein Konzept eigentlich auch gar nicht so viel reden. "Von unten" kuratiert sei die Schau jedenfalls, es gebe also kein theoretisches Konstrukt, wonach die Werke ausgewählt wurden, bloß die Intuition.

Und sie hat in diesem Fall eine schöne Ausstellung zusammengezaubert. Dabei hat Rondinone auch weniger bekannte Positionen in die Secession gebracht, etwa den Amerikaner Donald Evans, dessen mikroskopische Briefmarkenkunst mit riesigen schwarzen Objekten von Heimo Zobernig kombiniert ist.

Schön ist die Idee, auch Klimt einen Duettpartner zur Seite zu stellen: die bemalten Tonobjekte Andrew Lords wirken, als ob sie den Klimtfries spiegelten. (Roman Gerold, DER STANDARD, 13.2.2015)