Im "Halsbereich" der "Tschuri-Ente" treten bereits zahlreiche Gas- und Staubfontänen aus. In den kommenden Monaten wird sich die Aktivität des Kometen weiter erhöhen.

Foto: ESA/Rosetta/NAVCAM

Darmstadt - Bei einem extremen Tiefflug hat die Weltraumsonde "Rosetta" Detail-Fotos vom Kometen 67P/Tschurjumov-Gerasimenko aus nächster Nähe geschossen. "Die Bilder sind alle aufgenommen", sagte "Rosetta"-Flugdirektor Andrea Accomazzo von der europäischen Weltraumagentur Esa in Darmstadt. Der Vorbeiflug in einem Abstand von nur sechs Kilometern sei wie geplant am Samstag um etwa 13.40 Uhr erfolgt.

Ähnliche Manöver könnten zwar noch folgen, doch so knapp wird es in Zukunft nicht mehr werden, denn die Sonne rückt dem Kometen immer mehr zuleibe und auf "Tschuris" Südhälfte steht der Sommer bevor - und der wird heiß und turbulent.

Die Rotationsachse des Kometen ist um rund 50 Grad gegen seine stark elliptische Umlaufbahn geneigt, was dem Himmelskörper ausgeprägte Jahreszeiten beschert. Im Mai endet auf der Südseite des Kometen die Polarnacht und ein lebhafter zehnmonatiger Sommer beginnt. Die zunehmende Annäherung an die Sonne dürfte dafür sorgen, dass sich ein großer Teil der Eis- und Staubschicht in dieser Region in Form von Gas- und Staubfontänen ins Weltall verabschiedet. Mithilfe eines von Forschern vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erstellten Computermodells konnte der Erosionsprozess, der dann stattfinden wird, simuliert werden.

Die Wissenschafter gehen demnach davon aus, dass die Südpolregion von "Tschuri" im anstehenden Sommer eine bis zu 20 Meter dicke Staubschicht verlieren wird. Bereits jetzt können im "Halsbereich" des entenförmigen Kometen zahlreiche Fontänen und sogar ein Riss beobachtet werden. Der zunehmende Materialabbau dürfte den Kometen nachhaltig verändern und den Astronomen neue Einblicke liefern.

Einmalige Gelegenheit

Bei dem Manöver am Samstag hat die Sonde Regionen des Kometen aus kürzester Distanz untersucht, in denen bereits Gas und Staub austreten. Ganz so nah werde sich "Rosetta" künftig nicht mehr heranwagen können. Bei weiteren Tiefflügen könnte sich die Sonde dem Kometen allenfalls noch bis auf etwa zehn Kilometer nähern.

"Wir kommen nie mehr so nahe an den Kometen heran, weil sich seine Aktivität Richtung Sonne erhöht", sagte die ESA-Sprecherin Jocelyne Landeau im Kontrollzentrum in Darmstadt. Die "Rosetta"-Mission zählt zu den ambitioniertesten Projekten der ESA. Im vergangenen November hatte die Sonde nach zehn Jahren Flug das Mini-Labor "Philae" abgesetzt. Unter anderem erwarten sich die Wissenschafter Aufschlüsse über die Anfänge des Sonnensystems. Der Komet gilt als kaum verändertes Relikt aus der Zeit vor rund 4,6 Milliarden Jahren.

"Philae" hat wegen Strommangels allerdings derzeit Sendepause. Im Frühjahr könnte "Philae" aufwachen, falls die Batterie von der Sonne wieder genug Energie bekommt. "Die Chancen dafür stehen gut", meinte Manuela Braun, Sprecherin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln.

"Rosetta" war am 2. März 2004 mit einer Ariane-5-Rakete von der Weltraumstation Kourou in Französisch-Guayana gestartet, "Philae" mit an Bord. Die Mission könnte um ein Jahr verlängert werden und dann bis Ende 2016 dauern. (APA/red, derStandard.at, 14.2.2015)