Wenn nichts dazwischenkommt, werden am 22. Februar die 87. Academy Awards verliehen. Auch wenn man sich nicht besonders für Hollywood interessiert - dieses Event ist ein Highlight des Filmjahres. Ich kenne eigentlich niemanden, der die Oscar-Verleihung nicht zur Kenntnis nimmt. Mögen die Gewinner (Sylvester Stallone!) und Nicht-Gewinner (Martin Scorsese!) auch bisweilen Verwunderung oder Bestürzung auslösen - die Verleihung genießt intensive Aufmerksamkeit.
Klar, es gibt noch andere Film-Events: Berlin, Cannes und Venedig zum Beispiel. Dennoch: Wenn Hollywood preisgekrönte Filme und vor allem sich selbst feiert, dann sieht und hört die Welt zu.
Bei Nachhaltigkeitspreisen ist das anders. Ganz anders.
Ich kenne niemanden, der für die entsprechenden Veranstaltungen eine ähnliche Begeisterung aufbringt wie für Oscar-Fragen à la "Wer moderiert die Verleihung?", "Was trägt Hilary Swank?" oder "Wer räumt diesmal ab?" . Auch wenn es um Nachhaltigkeitspreise geht, feiert man zwar auch sich selbst - aber das Interesse der Weltöffentlichkeit, es ist - nun, enden wollend. Dabei ist die Intention vernünftig: gute Arbeit auszeichnen, an die Öffentlichkeit holen und damit ermutigen und fördern. Die Wirkung aber ist zweifelhaft. "Gut" und "gut gemeint" sind, das kann man auch hier sehen, mitnichten dasselbe.
Die diversen Preise, Awards, Auszeichnungen und Events zu Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit (oder zu Reporting, Kundenorientierung und Arbeitgeberreputation) sind offenbar eine zweischneidige Angelegenheit. Ein Aspekt: Preise sind positionelle Güter, auf Hochdeutsch: Es kann nur einen geben. "Wödmasta" wird nur ein Land (oder ein Trainer), und auch den Regie-Oscar kann pro Jahr nur einer gewinnen. Das heißt auch: Alle anderen sind Verlierer. Manche empfinden das als Belastung, mache gar als Beleidigung. Das ist nicht schön.
Es gibt viel davon
Die Sache wird nur scheinbar dadurch besser, dass es ja recht viele Preise und Events gibt. So kann diejenige, die bei Gala X nur Blech geholt hat, beim Event Y als Siegerin von der Bühne gehen. Das Problem: Je mehr Preise, desto geringer die Aufmerksamkeit pro Preis. Das hängt mit der zeitlichen Dimension zusammen. Wenn Oscars verteilt werden, schauen alle hin. Wenn es übers Jahr verteilt (zu) viele Nachhaltigkeitspreise gibt, interessiert das selbst in der "Nachhaltigkeitscommunity" immer weniger Leute. Klar, man nimmt teil, weil's irgendwie dazugehört. Aber nicht wenige quälen sich zu diesen Events und finden die Sache weder spaßig noch nachhaltig.
Sieben Jahre ohne
Die gnadenlose Ökonomie der Aufmerksamkeit hat also zu massiven Abnutzungserscheinungen geführt, was die Strahlkraft dieser Art von Nachhaltigkeits-Kommunikation betrifft. Das kann man nur bedauern, wenn man weiß, wie viel ehrliches Engagement und Arbeit (und Geld) in die Organisation von Nachhaltigkeitspreisverleihungsevents fließt. Was daraus folgt? Ich habe kein Patentrezept, aber einen Vorschlag: Legen wir eine Pause ein und verzichten sieben Jahre lang auf jegliche Auszeichnung von Nachhaltigkeitsaktivitäten.
Das hätte zwei Vorteile. Zum einen wäre, wenn nach sieben Jahren der Zirkus wieder losgeht, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gesichert. Und: Mit dem gesparten Geld könnte man Studierende unterstützen, die sich theoretisch und praktisch mit Nachhaltigkeit und Verantwortung beschäftigen. Ich muss wohl nicht betonen, dass ich dabei an Stipendien denke und nicht an Preisverleihungen. (DER STANDARD, 14./15.02.2015)