Plötzlich fühlt man sich doch ein wenig wie in einer jener Mafia-Dokus, die so gar nicht jenes Bild Siziliens zeichnen, das man in vorfrühlingshafter Sehnsucht gebucht zu haben meint: Der Flieger hat einen spät abends in Catania ausgespuckt, nach der Abholung des Mietwagens und einer - dank Navi - problemlosen Fahrt an die Südostspitze des Landes war ausgemacht, dass Haushälterin Lucia bei einer Kreuzung in ihrem blauen Panda wartet, um die letzten Kilometer zur Villa zu bewältigen. Nach rechtzeitigem Anruf, nur - auf den wurde in der Vorfreude prompt vergessen.

Foto: Think Sicily

So sitzt man kurz nach ein Uhr in der Dunkelheit, und da wirkt die Autobahnabfahrt von Rosolini trotz lauer Februarnacht nicht so gemütlich: Im Schein einer Laterne bekriegen sich zwei Hunde, bis einer jaulend von dannen humpelt. Dann schleifen sich aus der Stille zwei dickdunkle SUVs mit quietschenden Reifen ein, jagen die Auffahrt zur Autostrada hinauf und nehmen dabei einen Haufen Müllsäcke mit, der sich pittoresk an einer Ecke türmte. Jetzt riecht es nach faulem Fleisch. Dass hier, rund um die prachtvolle Barockstadt Noto, die Mafia seit Jahren mit Erfolg verdrängt wurde, wird man erst tags darauf im Reiseführer lesen.

Die Casa Carcicera gehört einem britischen Ehepaar, das einen luxuriösen Geschmack und eine Vorliebe für manikürte Gärten hat.
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Da kommt das nächste Auto. Ein blauer Panda, na hurra! Lucia winkt verschlafen aus dem Fenster und entführt uns binnen weniger Minuten in ein anderes, überaus luxuriöses Sizilien. Die Casa Carcicera liegt hoch über dem Tal, der Blick schweift bis weit hinunter zum Meer, wo hell beleuchtete Boote nach Kalmaren fischen. Sie gehört einem britischen Ehepaar, das einen luxuriösen Geschmack und eine Vorliebe für manikürte Gärten hat: Vor und hinter dem Haus blüht eine Vielzahl exotischer Blumen, der Rasen ist dicht und fein geschoren, dass sich die nackten Füße fast in Irland wähnen. Dazu sorgfältig ziselierte Zierbäumchen, die sich gen Himmel schrauben und ein Pool, der nicht in ordinärem Hellblau leuchtet, sondern mit dunkel funkelndem Mosaik ausgelegt ist.

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In der Villa mit hohen Decken, riesiger Küche samt offenem Kamin und massiven Schlafzimmern - jedes mit eigenem Bad samt Duschen und freistehenden Wannen - warten frisch bezogene Betten und ein gefüllter Kühlschrank mit lokalen Köstlichkeiten. Die Casa Carcicera ist eine von über 90 Villen und Herrenhäusern, die von Rossella und Huw Beaugié über ihre Website (www.thethinkingtraveller.com) vermietet werden. Er ist, wie die meisten Gäste, Brite, sie, wie die meisten Vermieter, Sizilianerin - eine ziemlich ideale Kombination.

Vulkanologe auf Wunsch

Neben der Exklusivität der Objekte ist es die persönliche Betreuung, die ihr Unternehmen ziemlich rasant hat wachsen lassen - nun auch in Apulien und den griechischen Inseln. So werden nicht nur luxuriöse Bleiben, auf Wunsch samt Koch und Personal vermietet, sondern auch die lokale Expertise. Wer etwa den Etna besteigen will, bekommt einen Vulkanologen als Führer zur Seite gestellt, mit dem auch abgesperrte Bereiche dieses hochaktiven Vulkans erlebt werden können. Es werden Führungen zu den großartigen Weingütern der Region organisiert, Marktbesuche und Kochkurse mit lokalen Adeligen in deren Palästen und anderes mehr, was auch saturierten Zeitgenossen das eine oder andere beglückte Lächeln auf die von der Frühlingssonne gebräunte Visage zaubern sollte.

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Der Frühling beginnt hier unten bekanntlich ein bissl früher. Ab Ende Februar explodieren die Wiesen, die sich im Sommer in ausgedörrten, von der Sonne verbranntem Wüstentönen zeigen, mit zartem Grün und Blüten von einer Intensität, wie sie unsereiner nur aus dem Hochgebirge kennt - hier halt in dichter Fülle: gelb, leuchtrosa und dunkelviolett, aber auch orange und lila, blau und dunkelrot wiegen sich die Wiesen um diese Zeit schon im Wind. Die Mandelhaine blühen, am Strand lässt sich mit aufgestrickten Hosen und ohne klamme Zehen bereits barfuß spazieren - kleine Ausflüge in die Wellen inbegriffen.

Vor einem Sizilien und das Meer, hinter einem der Komfort einer individuell ausgestatteten Villa.
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Von den Gärten der Villa aus lässt sich das alles auf herrschaftliche Art überblicken, auch die Gemüsebauern, die in kleinen Folientunneln erste Artischocken und Zucchini ziehen, milde weiße Zwiebel und Melanzani. Am Markt gibt es das natürlich zu kaufen, aber auch wilden Spargel und anderes Wildgemüse. Die wohl größte Sensation aber ist der Zitrushain beim Haus, wo siebenerlei verschiedene Arten gedeihen und gerade jetzt in praller Reife stehen: Herrlich süße Orangen, dickschalig duftende Zedratzitronen, exotisch milde Meyers, aber auch Mandarinen, Kumquats und Grapefruits von ungekannter Süße. Daraus lassen sich Salate machen, deren Aroma noch lang in der Erinnerung nachhallen. (Severin Corti, DER STANDARD, 14.2.2015)