Wien - Um 33.000 Menschen ist im Vorjahr die Einwohnerzahl Wiens gestiegen. Eine Stadt dieser Dimension würde auf Anhieb an 13. Stelle der größten Gemeinden Österreichs stehen. Als "große Herausforderung für die Verwaltung", gleichzeitig aber auch als ein "Kompliment an Wien" bezeichnete Klemens Himpele, der Leiter des städtischen Statistikressorts in der Magistratsabteilung 23, den Zuwachs bei der Präsentation der vorläufigen Bevölkerungszahlen am Freitag.
Wien ist mit nunmehr 1,8 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt im deutschen Sprachraum hinter Berlin und mittlerweile die siebentgrößte in der Europäischen Union. In den vergangenen drei Jahren überholte die österreichische Hauptstadt Warschau, Budapest und Hamburg. Nach den Prognosen soll Wien 2029 die Zweimillionenmarke erreichen.
Es handelt sich beim derzeitigen Wachstum um das stärkste in der Zweiten Republik, errechneten die Statistiker. Der Anstieg ist vor allem auf ein positives Saldo in der Wanderungsbilanz zurückzuführen. Aber auch der Geburtenüberschuss - Geburten abzüglich Sterbefälle - trug weiter zur steigenden Bevölkerungszahl Wiens bei.
Derzeit liegt das vor allem in der Tatsache begründet, dass die Babyboomer-Jahrgänge der 1950er- und 1960er-Jahre Großeltern werden. "Ein Echoeffekt", wie es Himpele formulierte. Insgesamt leben heute mehr potenzielle Mütter in der Stadt als noch vor wenigen Jahren; die Zahl der Kinder pro Mutter steige hingegen nicht signifikant. Das Stereotyp der Großfamilie mit fünf oder mehr Kindern treffe in der Generation, die jetzt Nachwuchs zeugt, auch bei Migranten kaum noch zu.
Die Zuwanderer kamen 2014 vor allem aus Osteuropa und Deutschland, wobei es laut Himpele "keine stark dominierende Gruppe" mehr gibt. Bürger aus neun Nationen sorgten im Vorjahr für ein positives Wanderungssaldo von jeweils mehr als 1.000 Personen. An der Spitze liegen Rumänien, Ungarn, Polen, Bulgarien, Deutschland, Kroatien und Syrien. Die Türkei, früher im Spitzenfeld dieser Gruppe, fand sich 2014 nur mehr an der 16. Stelle.
Die Zuwanderung hält Wien laut Himpele jung. Lag der Altersschnitt der Wiener 1961 noch zehn Jahre über jenem Vorarlbergs, so wird die Bundeshauptstadt voraussichtlich noch 2015 Vorarlberg als das Bundesland mit dem jüngsten Altersschnitt ablösen.
Das liegt allerdings weniger daran, dass der Altersschnitt der Bewohner Wiens drastisch sinkt; dieser stagniert seit Jahren. Vielmehr verschiebt sich die Rangfolge, weil alle anderen Bundesländer im Mittel immer älter werden.
Himpele wies das Klischee des Braindrain - also das Phänomen, dass viele Personen mit formal niedriger Ausbildung zuwandern und gut ausgebildete Menschen abwandern - zurück.
Parallel mit der wachsenden Zuwanderung stieg in den vergangenen zehn Jahren nämlich auch die Akademikerquote in Wien, und die Zahl der Einwohner mit der Pflichtschule als höchster abgeschlossener Ausbildung sank. Der Akademikeranteil der Neo-Wiener mit fremder Staatsangehörigkeit ist laut Statistik Austria mit rund 27 Prozent gleich hoch wie jener der Gesamtbevölkerung.
Nicht nur die Zahl der Hochschulabsolventen stieg in den vergangenen Jahren, auch jene der aktiv Studierenden. 187.000 Menschen studierten im Wintersemester 2013 in Wien, um über 66.000 mehr als 2002. Damit ist Wien noch vor Berlin die Stadt im deutschsprachigen Raum mit den meisten Studierenden.
Himpele betonte den Status Wiens als Standort der Forschung und Wissenschaft. Die Anzahl der forschenden Unternehmen hat sich zwischen 1998 und 2011 von 242 auf 766 verdreifacht. Die Anzahl der Beschäftigten im Sektor Forschung und Entwicklung ist im selben Zeitraum von 25.300 um 60 Prozent auf 40.400 gestiegen.
Dass die Gesamtarbeitslosenzahl in Wien dennoch über dem Österreich-Schnitt liegt, erklärte Himpele damit, dass man als einzelne Kommune dem schleppenden Wirtschaftswachstum nur begrenzt entgegensteuern könne. Das geschehe durch Investitionsausgaben, wodurch neben der Arbeitslosenzahl auch die Beschäftigtenzahl zuletzt anstieg. "Das ist fast schon überraschend und spricht sehr für diese Stadt", sagte Himpele. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 13.2.2015)