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Ein Foto des AP-Fotografen David Guttenfelder. Es zeigt Kim Jong-un bei den Arirang-Spielen im Mai.

Foto: AP/guttenfelder

Kein Regime der Welt kontrolliert den medialen Informationsfluss rigider als Nordkorea. Fast alle Artikel über das Land werden in den Korrespondentenbüros in Seoul, Peking oder Tokio geschrieben, wenn nicht gar am Redaktionsschreibtisch am anderen Ende der Welt. Nur ein gallisches Dorf hat sich in der medialen Besatzungszone von Pjöngjang behauptet: Die amerikanische Nachrichtenagentur AP betreibt seit Jänner 2012 in Pjöngjang das "erste unabhängige westliche Nachrichtenbüro". Eine Eigenbezeichnung, die drei Jahre nach Gründung der Zweigstelle in der nordkoreanischen Hauptstadt sarkastisch anmutet.

Ein Blick aus dem Inneren

Außenstehende erstaunt es immer wieder, wie leicht Ausländer an ein Visum nach Nordkorea gelangen können. Zumindest wenn das Land nicht wie derzeit aus Angst vor der Ebola-Epidemie die Schotten dichtmacht. Selbst als Journalist kommt man mit ein paar simplen Tricks recht leicht ins Land. Irgendeine "Forschergruppe" lässt sich schließlich immer finden, an die man sich als verdeckter Reporter anhängen kann. Mehr als zwei Wochen – und zwar unter ständiger Beobachtung von nordkoreanischen Aufsichtspersonen – sind aber beim besten Willen nicht drin.

Wie verlockend mag da ein ständiges Korrespondentenbüro erscheinen. Wenn sogar auf Instagram Alltagsschnappschüsse für die Öffentlichkeit gepostet werden, kann das doch nur aufklärerisch sein. Endlich können westliche Journalisten einen Blick hinter die geschlossene Fassade Nordkoreas werfen. Oder etwa nicht?

Nominiert von Nordkorea

Der US-amerikanischen Investigativjournalist Nate Thayer veröffentlichte jüngst die Vertragsbedingungen, unter denen AP ihr Büro eröffnen durfte. Demnach werden alle drei ständigen Mitarbeiter – Reporter, Fotograf und Fahrer – direkt von der staatlichen Nachrichtenagentur Nordkoreas nominiert. Dass diese Lokalkräfte gleichzeitig für den Geheimdienst arbeiten, lässt sich kaum ausschließen. Der einzige ausländische Journalist, derzeit Eric Talmadge, lebt mit seiner Familie in Tokio und fliegt nur einmal im Monat nach Pjöngjang. Meist für eineinhalb Wochen, oder wie viel ihm die nordkoreanische Visabehörde eben zubilligt. Mit im Gepäck führt er auch die 12.000 US-Dollar in bar, die das Büro und dessen Personal im Monat verschlingen.

Gespräche mit Einheimischen untersagt

Längst muss sich AP den Vorwurf gefallen lassen, die nordkoreanische Propaganda zu übernehmen. Die Arbeitsbedingungen für Reporter in Nordkorea unterscheiden sich nicht wesentlich von denen in der stalinistischen Sowjetunion oder der Volksrepublik China während der Kulturrevolution.

Auch wenn das nordkoreanische Regime nicht kontrollieren kann, was die AP-Journalisten schreiben, bestimmt es doch bis ins Detail, was sie sehen und hören: Spontane Gespräche mit Einheimischen sind strikt untersagt, jeder kleinste Trip oder Interviewtermin muss von den Behörden im Vorhinein genehmigt werden.

Keine unabhängige Internetverbindung

Im Gegensatz zu den Botschaften in Pjöngjang verfügt das AP-Büro über keine unabhängige Internetverbindung. Oder, wie Büroleiter Talmadge es in der "Washington Post" formulierte: "Ich gehe davon aus, dass alles, was ich sage, aufgezeichnet wird." Die Worte der AP-Vizepräsidentin Kathleen Carroll in einem Interview mit der "Huffington Post" klingen da nur zynisch: "Wir hätten kein Büro in Pjöngjang eröffnet, wenn wir dort nicht so agieren könnten, wie wir es wollen."

Interessant ist nicht so sehr, über welche Geschichten die AP aus Pjöngjang berichtet. Viele Scoops lassen sich ohnehin nicht finden. Viel aussagekräftiger ist, über welche Themen nicht geschrieben wird. In den drei Jahren seit der Bürogründung wurde kein einziger Artikel vom Pjöngjanger Büro veröffentlicht, der sich in seinem Hauptfokus negativ über Kim Jong-un geäußert hätte. Als der 31-jährige Diktator sechs Wochen lang verschwunden war, hüllte man darüber den Mantel des Schweigens, genau wie über den Sony-Hack.

Als im vergangenen Mai ein Wohnbau einstürzte und Dutzende Familien der Pjöngjanger Elite starben, waren die Reporter laut Eigenaussage auf einer Reise außerhalb der Stadt. Da es keinen Livebericht im Staatsfernsehen gegeben habe, habe man von der Katastrophe nichts mitbekommen. Die Räume des AP-Büros sind allerdings nur einen Fußmarsch vom Unfallort entfernt. (Fabian Kretschmer, derStandard.at, 13.2.2015)