Reinhold Lopatka: "Uns fehlt jedes Verständnis, wenn der Bundeskanzler in Wien anders redet, als er vorher in Brüssel mitentschieden hat."

Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Glauben Sie tatsächlich, dass Österreich nicht zur Antiterrorkonferenz in New York eingeladen wurde, weil Bundeskanzler Werner Faymann eine TTIP-kritische Position vertritt?

Lopatka: Das Ziel der ÖVP war es immer, dass wir gerade in der Außenpolitik gemeinsam vorgehen. Durch das ständige Schielen des Bundeskanzlers nach dem Wiener Boulevard ist ihm zunehmend die Sicht verstellt worden, da ist ihm in der Außenpolitik der Weitblick abhandengekommen. Ein Weitblick, der etwa Angela Merkel auszeichnet. Uns fehlt jedes Verständnis, wenn der Bundeskanzler in Wien anders redet, als er vorher in Brüssel mitentschieden hat. Es ist nicht im Interesse der Republik, wenn der österreichische Kanzler dabei immer wieder die deutsche Kanzlerin kritisiert. Merkel ist ein Glücksfall für Europa. Faymann gefällt sich darin, in Österreich eine andere Position einzunehmen, als er sie zuvor in Brüssel vertreten hat, etwa bei TTIP. Alle Regierungschefs haben gemeinsam festgelegt, unverzüglich die Verhandlungen zu führen. Der Abschluss der TTIP-Verhandlungen soll im Geiste des gegenseitigen Nutzens und der Transparenz erfolgen - alles vom Bundeskanzler mitbeschlossen, und dann wird in Österreich anders geredet. Das wird von wichtigen Partnern wie Deutschland und den USA bemerkt. Da muss sich der Kanzler die Frage stellen, ob das im Interesse von Österreich sein kann.

STANDARD: Dem Kanzler kann man zugutehalten, dass er auf aktuelle Entwicklungen reagiert. Er formuliert, was aus seiner Sicht das Verhandlungsergebnis sein sollte.

Lopatka: Dann wäre es gut, wenn er diese Position auch in Brüssel vertritt, nicht nur in Österreich.

STANDARD: Faymann engagiert sich in letzter Zeit stärker in außenpolitischen Themen.

Lopatka: Das hat innenpolitische Beweggründe. Er glaubt, er kann sich profilieren, indem er sich an Angela Merkel reibt. Das mag sein parteipolitisches Kalkül sein, ist aber nicht im Interesse Österreichs.

STANDARD:Was Griechenland betrifft, aber auch in der Frage von Sanktionen gegen Russland nimmt Faymann eine von der EU-Linie abweichende Position ein. Wie ordnen Sie das ein?

Lopatka: Das ist problematisch. Entweder gehe ich europäisch vor, oder ich mache die Außenpolitik zur innenpolitischen Spielwiese. Sanktionen gegen Russland sind für Österreich unangenehm. Aber in der Situation, in der wir jetzt sind, wären alle gut beraten, diejenigen, die an der Spitze verhandeln, in dem Fall Merkel und Hollande, zu unterstützen. Die EU muss signalisieren, dass sie gemeinsam vorgeht. Es ist nicht immer einfach, das in Wien zu vertreten, was man in Brüssel mitzutragen hat. Aber das zeichnet einen Staatsmann aus.

STANDARD: Ist Ihnen Faymann zu Griechenland-freundlich?

Lopatka: Der ehemalige EU-Kommissar Fischler hat gemeint, der Bundeskanzler macht Abstauberpolitik. Auf die Themen, die interessant sind, setzt er sich drauf, und die anderen lässt er.

STANDARD: Sehen Sie das auch so?

Lopatka: Fischler ist ein erfahrener Europa-Politiker. Seine Einschätzung sind in der Regel keine Fehleinschätzungen.

STANDARD: Es gibt aber viele Menschen, die nachvollziehen können, dass Griechenland mit dem Sparkurs nicht zurande kommt.

Lopatka: Aber Griechenland muss konkrete Schritte setzen. Bis heute gibt es keine ordentliche Finanzverwaltung. Wenn ein Schritt in Richtung mehr Rechtsstaatlichkeit und Steuergerechtigkeit kommt, findet das auch unseren Applaus. Aber das findet bisher nicht statt. Tsipras verspricht nur neue Ausgaben, wie höhere Pensionen und mehr Beamte.

STANDARD: Gibt es da Parallelen zwischen Österreich und Griechenland?

Lopatka: Österreich ist mit Griechenland nicht vergleichbar, das muss ich deutlich sagen. Aber vom politischen Ansatz her merke ich schon, dass der Bundeskanzler die SPÖ Richtung Hollande und Tsipras positionieren möchte. Ich hoffe, dass er dabei nicht vergisst, dass auch in Österreich Reformbedarf besteht. Aber immer dann, wenn von der ÖVP ein Vorschlag kommt, wie die raschere Angleichung des Frauenpensionsalters, kommt von der SPÖ reflexartig ein "Njet".

STANDARD: Wie läuft es denn so in der Koalition? Das klingt ja nicht sehr rosig.

Lopatka: Durch den SPÖ-Parteitag und die von Nationalratspräsidentin Doris Bures befeuerte Obmanndiskussion hat die Unruhe innerhalb der SPÖ spürbar zugenommen. Aber innerhalb der Koalition läuft es gut. Es gibt keine Nationalratssitzung, bei der nicht ein wichtiges Gesetz zur Beschlussfassung ansteht.

STANDARD: In der SPÖ gibt es mittlerweile eine offene Obmanndebatte, sehen Sie den Kanzler geschwächt?

Lopatka: Das ist eine Angelegenheit der SPÖ, an dieser Debatte wird sich niemand aus der ÖVP beteiligen. Aber es hat auch Auswirkungen auf die Arbeit in der Koalition.

STANDARD: Die ÖVP hat dem Kanzler mehrfach Populismus vorgeworfen, haben Sie Angst, dass sich das noch verstärkt?

Lopatka: Ich habe dieses Wort nicht verwendet. Aber die Frage ist: Hat der Kanzler auch dann die Courage, sich hinzustellen und die gemeinsame Linie zu vertreten, wenn es Gegenwind von den Medien gibt, oder hat er diese Courage nicht?

STANDARD: Soll das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen Dialog in Wien zugesperrt werden, oder ist es noch zu retten?

Lopatka: Es ist durchaus zu retten. Wenn ich mir die weltweite Entwicklung anschaue, wird dieser Dialog immer notwendiger.

STANDARD: Was macht dieser Dialog für einen Sinn, wenn in Saudi-Arabien gleichzeitig Todesurteile vollstreckt werden und der Blogger Badawi mit Peitschenhieben gefoltert wird?

Lopatka: Es geht darum, dass auch jene Gruppen in Saudi-Arabien, die sehr wohl Handlungsbedarf sehen, durch eine solche Institution die Chance haben, dass es mittelfristig zu Veränderungen kommen kann. Dem Blogger Badawi ist nicht geholfen, wenn das Zentrum geschlossen wird. Ja, es muss mehr geschehen, es muss besser werden, aber das ist nicht der Auftrag zur Schließung des Dialogzentrums.

STANDARD: Das Dialogzentrum ist auch deshalb in die Schlagzeilen geraten, weil sich dessen Generalsekretärin Claudia Bandion-Ortner extrem ungeschickt geäußert hat. Bandion-Ortner kommt aus der ÖVP ...

Lopatka: Aber ich kann nicht das Bestehen einer internationalen Institution von den Aussagen einer Person abhängig machen.

STANDARD: Aber Sie werden zugestehen, dass Bandion-Ortner in dieser Position nicht hilfreich war.

Lopatka: Da sind ohnehin die Konsequenzen gezogen worden.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Personalpolitik Ihres Ex-Parteichefs Josef Pröll, dessen Erfindung Bandion-Ortner war?

Lopatka: Für diese Antwort müsste ich jetzt länger nachdenken, als Sie Zeit haben.

(Michael Völker, DER STANDARD, 14.2.2015)