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In seinem Spätwerk wächst Rembrandt van Rijn über sich hinaus, befreit sich von Konventionen: In dieser Zeit, 1662, entsteht auch "Staalmeesters" ("Die Vorsteher der Tuchmacherzunft").

Foto: APA /EPA / Robin van Lonkhuijsen

Selbstbewusst blickt er aus dem Bild heraus, während er die Handschuhe überstreift. Gleich wird er zu einem Reitausflug aufbrechen, der leuchtend rote, mit Gold bestickte Mantel hängt bereits über seiner Schulter.

Das Porträt seines Freundes und Mäzens Jan Six gehört zu den schönsten Bildnissen, die Rembrandt je gemalt hat. Seit 400 Jahren befindet es sich in Familienbesitz und hängt in der Villa Six an der Amstel in Amsterdam. Ausgeliehen wird es so gut wie nie.

Doch für die allererste Ausstellung zum Spätwerk Rembrandts machte Jan Six X. (seit 400 Jahren heißen alle erstgeborenen Söhne Jan) eine Ausnahme. Bis nach London, wo die Schau zuerst in der National Gallery Station machte und als "Ausstellung des Jahrhunderts" gefeiert wurde, wollte er das Meisterwerk zwar nicht reisen lassen, "aber immerhin die anderthalb Kilometer zu uns ins Rijksmuseum", erzählt Kurator Gregor Weber und gerät ins Schwärmen: Rembrandts Malstil sprenge alle Konventionen. "Er malt es so locker, so frei!" Weber deutet auf Six' Mantel: "Diese Borten, die Goldtressen, das sind einzelne Pinselhiebe! Die lässt er so stehen." Rembrandts freie Malweise setze auch die Zufriedenheit des Auftraggebers voraus, jemanden der sage: "Okay, das ist tatsächlich hohe Kunst."

In seinen letzten 18 Lebensjahren wächst Rembrandt über sich hinaus, von Konventionen befreit ist er seiner Zeit weit voraus. Meisterwerke wie die Staalmeesters oder die Badende Frau.

Im Rijksmuseum sind insgesamt 37 Gemälde ("alles Hauptwerke") sowie rund 60 Zeichnungen und Radierungen zu sehen - darunter auch jene vier Bilder, auf die London verzichten musste: Neben dem erwähnten Jan Six etwa auch Jakob ringt mit dem Engel aus der Berliner Gemäldegalerie. Themen wie "Innere Konflikte", "Licht" oder "Intimität" gliedern die Schau.

In letzterem Kapitel ist das bezaubernde Familienbildnis aus dem Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig zu sehen. Erstmals seit 70 Jahren ging es wieder auf Reisen und hängt nun neben der berühmten Judenbraut aus dem Rijksmuseum. So wie einst im Atelier des Künstlers, denn beide entstanden im selben Jahr. Ein Feuerwerk leuchtender Rot- und Goldtöne, freut sich Direktor Wim Pijbes: "Die beiden zusammen zu sehen, das erlebt man nur einmal im Leben."

Warum Rembrandt seinen Malstil im Alter so grundlegend veränderte, darüber existieren nur Vermutungen. Der Wandel setzt bereits 1642 ein, nach der Vollendung der Nachtwache. Kurz zuvor war Saskia, Rembrandts erste Frau, gestorben. Der gefeierte Künstler drosselt seine Produktion, macht eine Phase der Besinnung durch, um sich zehn Jahre später neu zu erfinden und nochmals aufzublühen.

Schicksalsschläge

Und das trotz weiterer Schicksalschläge: Er verliert auch seine zweite große Liebe Hendrickje Stoffels, ein Jahr vor dem eigenen Tod den Sohn Titus. Rembrandt geht bankrott, sein Haus an der Amsterdamer Jodenbreestraat wird versteigert. Das führt zu Verinnerlichung und emotionaler Tiefe. Sein letztes Selbstbildnis von 1669 zeigt einen Geläuterten, einen vom Leben Gezeichneten.

In der National Gallery war die Schau im Souterrain zu sehen, das Rijksmuseum kann hingegen mit den weiten, hellen Tageslichtsälen im frisch renovierten Philipsflügel aufwarten. Die Arbeiten werden dort regelrecht zelebriert - in der Stadt, wo sie einst entstanden sind, betont Pijbes: "Nichts Nachteiliges über die Kollegen in London, aber Rembrandt muss man in Amsterdam sehen." (Kerstin Schweighöfer aus Amsterdam, DER STANDARD, 14.2.2015)