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Alexander Choroschilow: "Mit meiner Familie ist es wie mit meiner Sportkarriere. Alles ging langsam, aber es ging immer aufwärts."

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In Schladming ist der Knoten geplatzt. Erster Sieg im Weltcup für den Russen.

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Alexander Choroschilow beginnt das Gespräch mit einer Entschuldigung. "Mein Englisch ist nicht wirklich gut. Manchmal fehlen mir Wörter." Er lächelt freundlich. Er wirkt nicht wie ein Superstar. Er ist nicht ein Typ wie Bode Miller oder Marcel Hirscher, auch nicht einer wie Felix Neureuther. Man kann ihn sich eher als den netten Nachbarn vorstellen, der einem hilft, wenn der Rasenmäher streikt, oder der einem die Bohrmaschine leiht.

Vor dem Gespräch gibt Choroschilow in einem Cafe in Beaver Creek ein Fernsehinterview für Eurosport. Hinter den Kameras bildet sich eine kleine Menschentraube. Die meisten der Zaungäste werden sich wohl gefragt haben, wer der Typ mit dem schütteren Haar und der weißen Kappe sei. Klar ist, es ist nicht Miller, nicht Hirscher, nicht Neureuther. Aber den letzteren Beiden könnte er durchaus die Show stehlen – am Sonntag, beim abschließenden Rennen dieser Weltmeisterschaft. Schließlich hat Choroschilow in Schladming, beim letzten Slalom vor den Titelkämpfen, seinen Premierensieg im Weltcup gefeiert. Und zwar überlegen: mit 1,44 Sekunden Vorsprung auf den Italiener Stefano Gross.

Beständigkeit

Ob er sich nun als Favorit sieht? Eine Frage, die ihm nach Schladming oft gestellt worden sei. Choroschilow versucht nicht ans Gewinnen zu denken, will sich auf das Rennen konzentrieren, probieren schnell skizufahren. Er glaubt nicht, dass er sehr viel Druck hat. "Es hängt von mir ab", sagt er. Seine Saison sei ohnehin schon wirklich gut. In allen acht Slaloms in diesem Winter war er in den Top-Ten, davon zweimal auf dem Podest. In diesem Winter hat sich Alexander Choroschilow, der am Montag 31 Jahre alt wird, in der Slalom-Weltelite etabliert. In der Saison davor war er bestenfalls 13. Den großen Sprung nach vorne kann sich Choroschilow, gebürtig aus Jelisowo in der Region Kamtschatka im äußersten Osten Russlands, nicht wirklich erklären. "Der Sommer lief mehr oder weniger gleich, wie der davor. Ich hatte die gleichen Trainer. Ich weiß nicht."

Es gab Zeiten, da wollte er alles hinschmeißen. "Wenn man ein paar schlechte Rennen hintereinander hat, denkt man ans Aufhören." Aber seine Trainer, sagt er, hätten immer an ihn geglaubt. Seit 2010 wird er im russischen Team vom Slowenen Urban Planinsek betreut. Im Winter hat er seine Trainingsbasis in der Ramsau. In den Übungseinheiten, sagt Choroschilow, war er früher schon schnell. Aber in den Rennen sei er wirklich schlecht gewesen. "Vielleicht", sagt er, "war es auch ein mentales Problem. Vielleicht habe ich zu viel gewollt." Jetzt fahre er entspannter.

Gelassenheit

Entspannt war Choroschilow auch nach dem Sieg in Schladming, nicht übermäßig emotional, wie man es nach einem Premierensieg vielleicht erwarten dürfte. Im Zielraum streckte er kurz die Faust nach oben, und fuhr sich mit der Hand über den Helm, so als würde er sich den Schweiß von der Stirn wischen. Keine große Jubelszene also. Aber als 30-Jähriger nimmt man einen Premierensieg vielleicht gelassener hin. Nicht so emotional, wie der erst 29-jährige Schwede Mattias Hargin, der zwei Tage davor in Kitzbühel seinen Debütsieg gefeiert hatte. Aber Choroschilow ist kein Hirscher, kein Neureuther, auch kein Hargin. Choroschilow ist Choroschilow.

18-jährig war er von Kamtschatka nach Moskau umgezogen, zwei Jahre später lernte er dort seine Freundin kennen. Zur selben Zeit stieg er in den Weltcup ein. Seit zwei Jahren sind die beiden verheiratet, vor neun Monaten kam ihre Tochter zur Welt. "Mit meiner Familie", sagt Choroschilow, "ist es wie mit meiner Sportkarriere. Alles ging langsam, aber es ging immer aufwärts."

Ob sein Durchbruch um ein Jahr zu spät gekommen sei? Schließlich waren Olympische Spiele, schließlich waren sie in Russland. "Ich denke darüber nicht nach. Ich kann die Zeit nicht zurück drehen", sagt Choroschilow. Und: "Ich bin glücklich, dass ich jetzt schnell skifahre." In Sotschi wurde er 14. im Slalom, womit er sein damaliges Leistungsniveau abrufen konnte. "Ich war noch nicht so weit, um in die Top-3 zu fahren."

Durststrecke

Der Sieg von Schladming bedeute viel für den russischen Verband. "Wir hatten seit vielen Jahren keine derartigen Ergebnisse." Choroschilow holte den ersten Weltcupsieg für Russland seit 2. März 1997, seit Warwara Zelenskaja die Abfahrt von Happo One gewonnen hatte. Der letzte Sieg eines russischen Mannes lag gar 34 Jahre zurück. Alexander Schirow gewann am 28. März 1981 den Riesentorlauf von Laax, damals freilich noch für die Sowjetunion.

Zwei Medaillen holte die UdSSR bei Ski-Weltmeisterschaften: Eugenia Sidorowa wurde 1956 im Slalom in Cortina ebenso Dritte wie Swetlana Gladischewa 1991 in der Abfahrt in Saalbach. WM-Gold holte die Sowjetunion nie, holte Russland nie. Bisher. Choroschilow sagt: "Wenn ich wirklich schnell skifahre, kann ich eine Medaille gewinnen. Wir werden sehen." Sagt es und verabschiedet sich: "Es war nett, Sie zu treffen." Er lächelt freundlich. Mit dem Englisch hat es dann doch recht gut geklappt. (Birgit Riezinger aus Vail, derStandard.at, 14.2.2015)