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Viele, aber nicht alle Medikamente stehen auf der grünen Liste des Erstattungskodex der Krankenkassen und werden voll bezahlt. Eine neue Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zeigt, dass die Nichtaufnahme mit Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz bekämpft werden kann.

Foto: APA/ Matthias Henkel

Wien - Kein Gesundheitsminister der letzten Jahre wagte die große Gesundheitsreform, und damit harren auch die Finanzierungsprobleme der Krankenkassen weiterhin einer Lösung. Der Bürger spürt dies buchstäblich am eigenen Leib, wenn er als Patient aus Kostengründen nicht die für ihn optimale Behandlung erhält. Was aber viele Patienten nicht wissen: Die Österreicher haben ein Recht auf die beste gesundheitliche Versorgung und können diese auch einklagen.

Grundsätzlich hat man in Österreich nach § 133 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) einen gesetzlichen Anspruch auf eine Krankenbehandlung. Nach § 133 Abs 2 ASVG muss die Behandlung ausreichend und zweckmäßig sein und darf dabei das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

Was nun notwendig und ausreichend ist, entscheidet zu vorderst einmal die jeweilige Gebietskrankenkasse. Verweigert diese die Übernahme der Kosten einer Heilbehandlung, so muss der Patient dies aber nicht ohne weiteres hinnehmen, sondern besteht vielmehr die Möglichkeit, die Kostenübernahme einzuklagen.

Streitigkeiten

Schon in der Vergangenheit führte das zu vielen Streitigkeiten und hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in seiner Rechtsprechung folgenden Grundsatz entwickelt: Die Zweckmäßigkeit bei einer Krankenbehandlung darf nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten erfolgen, vielmehr ist auf das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall Rücksicht zu nehmen. Bei im Wesentlichen wirkungsgleichen diagnostischen oder therapeutischen Verfahren ist jedoch das billigere zu wählen (zuletzt OGH 22. 10. 2013, 10 ObS 111/13s). Damit ist erfreulicherweise klargestellt, dass nicht allein auf den finanziellen Aspekt abgestellt werden darf.

Für welche Behandlungen im Einzelfall die Kosten zu übernehmen sind, lässt sich anhand der Rechtsprechung des OGH im Voraus aber nur schwer prognostizieren. Da bei der Frage, ob die Kosten einer bestimmten Heilbehandlung zu übernehmen sind oder nicht, jeweils auf die besonderen Umstände des Einzelfalls abzustellen ist, kann der OGH nur Leitlinien vorgeben, die auf den jeweiligen zu entscheidenden Sachverhalt umzulegen sind.

Regelungen für Arzneien

Deutlich klarer geregelt ist die Frage, für welche Arzneimittel die Gebietskrankenkassen die Kosten zu übernehmen haben. Hier ist auf den Erstattungskodex zu verweisen. Der Hauptverband hat gemäß § 31 Abs 3 Z 12 ASVG einen Erstattungskodex herauszugeben, in dem alle zugelassenen und gesicherten Arzneimittel aufzunehmen sind, die nach dem Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten im Sinne der Krankenbehandlung gemäß 133 Abs 2 ASVG annehmen lassen.

Können Kassenpatienten daher nur darauf hoffen, dass die zu verschreibenden Medikamente sich auf der grünen Liste des Erstattungskodex befinden oder andernfalls im Einzelfall die Kostenübernahme genehmigt wird, so ist das bei Privatversicherten kein Thema. Hier kann der behandelnde Arzt jedes Arzneimittel, somit auch jene aus dem gelben Bereich, dem Patienten verordnen, ohne ein Bewilligungsverfahren zu durchlaufen. Die Kosten werden dann (je nach Vertrag) zur Gänze oder unter Abzug eines Selbstbehalts ersetzt.

Erstattungskodex

Doch auch die Einstufung im Erstattungskodex ist nicht unumstößlich. Am 24. September 2014 fällte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in diesem Zusammenhang ein wegweisendes Erkenntnis. In der Entscheidung (B1020/2012) ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass die Nichtaufnahme eines bestimmten Arzneimittels in den grünen Bereich des Erstattungskodex mangels Wirtschaftlichkeit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Wenn auch hier die Einstufung eines Generikums im Erstattungskodex gegenständlich war, lässt sich aus dieser Entscheidung erstmalig die auch für andere Fälle relevante Wertung ableiten, dass die Nichtaufnahme von Medikamenten in den grünen Bereich mit Erfolg unter Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz bekämpft werden kann.

Die obigen Ausführungen zeigen, dass Sparzwängen zum Trotz die Übernahme von Kosten für die gebotene Heilbehandlung mit rechtsstaatlichen Mitteln durchgesetzt werden kann. (Christian Winternitz, DER STANDARD, 16.2.2015)