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Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (re.) liegt wegen eines Atomkraftwerks in Großbritannien mit Premier David Cameron im Clinch.

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Wien/London – "Sie waren nicht sehr freundlich zueinander. Die Stimmung war unterkühlt", berichtete Kanzlersprecher Matthias Euler-Rolle auf STANDARD-Anfrage. Am Rande des EU-Gipfels in Brüssel hatte Werner Faymann (SPÖ) den britischen Premier David Cameron am Donnerstag zur Rede gestellt: "Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir weichen nicht von unserem Kurs ab." Cameron reagierte erbost und meinte, er fühle sich von Österreich bedroht. Darauf antwortete Faymann, das österreichische Volk fühle sich von dem geplanten britischen Atomkraftwerk Hinkley Point C bedroht.

Eine Sprecherin von Premierminister Cameron sagte nach dem Treffen: "Der Premierminister hat Kanzler Faymann verdeutlicht, dass es die Sache eines jeden Landes ist, über seinen eigenen Energiemix zu entscheiden."

Ein Kanzler übergibt keinen Brief

Euler-Rolle dementierte einen Bericht der britischen Zeitung The Telegraph, demzufolge sich Cameron geweigert habe, den Brief von Faymann anzunehmen: Der Kanzler habe Cameron den Brief nicht persönlich überreicht, sondern ein diplomatischer Mitarbeiter habe ihn seinem Gegenüber im Kabinett Cameron übergeben.

In dem Schreiben heißt es: "Die österreichische Regierung vertritt eine rechtlich völlig gerechtfertigte Position." Ende März wird Wien die Klageschrift gegen die Subventionierung des britischen Atomkraftwerks beim Europäischen Gerichtshof vorlegen. Rechtsexperten gehen davon aus, dass die Klage unabhängig von ihrem Ausgang den AKW-Bau um mindestens zwei Jahre verzögern wird.

Lang gärender Streit

Der Zusammenprall der beiden Regierungschefs war der vorläufige Höhepunkt eines Streits, der schon lange gärt. Im Oktober 2014 hatte die EU-Kommission grünes Licht für die Staatshilfen in einer geschätzten Höhe von 17 Milliarden Pfund (23 Milliarden Euro) für Hinkley Point C gegeben. Österreich kündigte an, vor dem EuGH gegen die Subventionierung des AKWs klagen zu wollen. Die Briten reagierten darauf zunächst gelassen: "Wir nehmen nicht an, dass Österreich seine Klage begründen kann", ließ Cameron verlauten. Doch dann eskalierte der Konflikt.

Geheime Depesche des Botschafters in London

Aus einer Geheimdepesche des österreichischen Botschafters in London an die Regierung in Wien ging hervor, dass sich die britische Regierung für die angedrohte Klage rächen will. Demnach will London nun seinerseits eine Klage beim EuGH einreichen: gegen die österreichische Stromkennzeichnung. In der Depesche berichtet der Botschafter außerdem, bei einem Treffen im Außenministerium habe er erfahren, London werde "in Zukunft jede Gelegenheit wahrnehmen, Österreich in Bereichen zu verklagen oder zu schaden, die starke innenpolitische Auswirkungen haben".

Keine Antwort auf den Brief aus Wien

Faymann verlangte in seinem Brief an Cameron eine Stellungnahme, ob dies tatsächlich die Position der Regierung oder ein "Missverständnis" sei. Eine Antwort bekam er darauf nicht. (Tina Stadlmayer aus London, DER STANDARD, 16.2.2015)