Man solle Griechenland bei der Schuldentilgung nicht "zu sehr entgegenkommen", sagte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Wochenende. Eine vorsichtige Formulierung, einerseits drohend, weil das Publikum - salopp gesagt - nicht die Schulden der Griechen zahlen will, schaumgebremst andererseits, weil Österreich selbst ein Schuldenmacher ist - siehe Hypo Alpe Adria. Heute Montag soll in Brüssel entschieden werden, wie, ob und zu welchem Preis man Athen in der Eurozone halten will.
Mit die differenziertesten Analysen und Kommentare dazu kann man seit dem linken Wahlsieg in Griechenland nicht in der Süddeutschen Zeitung, sondern in der (viel konservativeren) Frankfurter Allgemeinen Zeitung lesen. In einem Kommentar hat beispielsweise Mitherausgeber Holger Steltzner eine der Ursachen des Syriza-Siegs festgezurrt: "Man kann die Verzweiflung der Griechen verstehen. Im sechsten Jahr der Krise zahlen die Oligarchen noch immer keine Steuern. Schmerzhafte Einschnitte gab es nur für den Rest des Volkes." Da könne man verstehen, warum die Wähler die Regierung "vom Hof gejagt" hätten.
Im Spiegel konnte man zuletzt eine der "Sparmaßnahmen" der Troika nachvollziehen. Die staatlichen Putzdienste wurden im neoliberalen Geist der Verschlankung privatisiert. Effekt: Da Putzfrauen nicht viel mehr verdienen als die Höhe des Arbeitslosengeldes, kosten sie immer noch 75 Prozent vom Bisherigen. Zusammen mit den Kosten der privaten Putzdienste stiegen die Ausgaben um 50 Prozent. Sinken werden sie schon noch - in 20 Jahren.
Teilung der Eurozone
Was angesichts der wie die meisten Spitzenpolitiker nicht allzu weit blickenden Wählerschaft im Morgengrauen verborgen bleibt, ist das Szenario des Hinauswurfs Griechenlands aus dem Euro. Auch hier schreibt die FAZ Klartext: "Europa ist in Gefahr". Und fügt den (schon länger bekannten) Vorschlag hinzu, durch die Teilung der Eurozone in Nord und Süd eine Abwertung für Griechen, Italiener, Portugiesen und Spanier einzuleiten.
Selten zitierter Hintergrund ist ein Strickfehler bei der Eurogründung - nachzulesen in Tony Judds exzellenter Geschichte Europas (ab 1945). Damals habe Frankreich zur Zähmung des wiedervereinigten Deutschland die Einheitswährung verlangt. Gegen den Widerstand der Südländer (Eigeneinschätzung: "Das schaffen wir nicht") bestanden die Deutschen darauf, den Euro nach "den fiskalischen Grundsätzen der Bundesbank" zu zimmern: niedrige Inflation, knappes Geld, minimale Defizite. Von EU-Präsident Jacques Delors wurden Athen vor allem riesige Summen aus dem Strukturfonds versprochen - sie flossen nie. Dazu kamen von Athen geschönte Budgetziffern, die man in Brüssel "übersah". All das wird bis heute ignoriert.
Man kann nur spekulieren, was ein Griechenland ohne Euro zur Folge hätte. Angesichts der sozialen Unrast und der politischen Destabilisierungen würde nicht die EU der Gewinner sein - auf der einen Seite würde Wladimir Putin die Arme ausstrecken, auf der anderen die EU-feindliche populistische Rechte. (GERFRIED SPERL, DER STANDARD, 16.2.2015)