STANDARD: Das Wiener Wahlrecht soll im koalitionsfreien Raum beschlossen werden. Die Grünen fühlen sich befreit. Warum haben Sie die Verhandlungen nicht schon viel früher für gescheitert erklärt?
Vassilakou: Die Grünen haben bis zuletzt bewiesen, dass ihnen eine gemeinsame Lösung wichtig war, indem sie wiederholt Kompromissangebote unterbreitet haben. Es kam aber der Zeitpunkt, an dem man erkennen musste, dass der Verhandlungspartner nicht mitziehen will oder kann. Jetzt haben wir wenigstens Klarheit.
STANDARD: Der Bürgermeister wäre aber schon bereit gewesen, oder?
Vassilakou: Er spricht für sich selber. Ich kann nur sagen: Der Kompromiss, der zuletzt auf dem Tisch lag, war ein annehmbarer. Es war auch einer, den wir begrüßt haben. Häupls SPÖ konnte nicht mit. Das ist ihre Angelegenheit.
STANDARD: Die SPÖ hat Ihr Verhandlungsgeschick kritisiert.
Vassilakou: Danke für die Betragensnote. Darf ich mich wieder setzen?
STANDARD: Wird die SPÖ den Wahlrechtsantrag blockieren?
Vassilakou: Die SPÖ muss wissen, was sie tun will. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie sie den Wählern erklären wird, warum sie einen Mehrheitsbeschluss des Landtags als Minderheit blockiert.
STANDARD: Sie müssen ÖVP und FPÖ ins Boot holen.
Vassilakou: FPÖ und ÖVP haben genau wie die Grünen 2010 den Notariatsakt unterschrieben. Ich gehe davon aus, dass sie zu ihren Unterschriften stehen, so wie sie uns das freundlicherweise bis zum heutigen Tag ausrichten. Ich wüsste nicht, warum sie sich jetzt anders verhalten sollten.
STANDARD: Was wird konkret im Antrag stehen?
Vassilakou: Der Antrag wird jenem Text entsprechen, den wir im Notariatsakt festgelegt haben, nicht mehr, nicht weniger.
STANDARD: Sie streben für die nächste Legislaturperiode einen zweiten Stadtrat an. Welches Ressort wäre Ihnen am liebsten?
Vassilakou: Das entscheidet sich traditionell erst nach der Wahl. Wir gehen neben den bisherigen Schwerpunkten mit Bildung und leistbarem Wohnen in die Wahl.
STANDARD: Wäre Ihnen der Bildungsstadtrat am liebsten?
Vassilakou: Das weiß man immer erst nachher.
STANDARD: Sie streben wieder eine Koalition mit der SPÖ an. Was werden Sie diesmal bei den Koalitionsverhandlungen anders machen?
Vassilakou: Hoffentlich nicht viel. Die letzten Verhandlungen haben für die Grünen ein Ergebnis hervorgebracht, das sich mehr als sehen lassen konnte. Wenn die Regierung in eine zweite Periode geht, werden wir strukturelle Änderungen angehen.
STANDARD: Welche zum Beispiel?
Vassilakou: Die Erfahrung – etwa beim Wahlrecht – hat gezeigt, dass es ratsam ist, konkrete Ergebnisse schon im Koalitionsvertrag zu vereinbaren. Gemeinderatsbeschlüsse in der Verkehrspolitik sollten nicht mehr von einem einzigen Bezirk blockiert werden können.
STANDARD: Damit machen Sie sich in den Bezirken keine Freunde.
Vassilakou: Die Arbeit mit einigen Bezirksvorstehern war hervorragend, mit anderen hingegen zäh bis unmöglich. Ich will in der Dezentralisierung Regelungen schaffen, die den Bezirken ermöglichen, sich zu artikulieren, aber der Stadt die Sicherheit geben, umsetzen zu können, was dem Allgemeinwohl entspricht. Das hat nicht nur in der Verkehrspolitik Relevanz, aber dort wird klar, dass eben ein Auto mit 24 Lenkrädern nirgendwo hinfährt.
STANDARD: Wird erneut das Wahlrecht in der Koalitionsvereinbarung stehen müssen?
Vassilakou: Wenn der Landtag mit eindeutiger Mehrheit ein neues Wahlrecht einfordert, dann dürfen wir gespannt bleiben, wie sich die SPÖ verhalten wird.
STANDARD: Werden sich die gescheiterten Verhandlungen auf den Wahltermin auswirken?
Vassilakou: Nein. Ich gehe davon aus, dass der Wahltermin davon unberührt bleibt. Zuletzt hat es geheißen, dass ein Termin im Herbst die wahrscheinlichere Variante ist. Aus Sicht der Grünen spricht einiges dafür. Genauso viel spricht dafür, im Sommer zu wählen. Das habe ich schon bei der SPÖ deponiert. Es wird Zeit, dass das Geheimnis gelüftet wird.
STANDARD: Sie blicken wehmütig auf die letzten Jahre zurück. Was waren die schwierigsten Momente?
Vassilakou: Sowohl die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung als auch die Neugestaltung der Mariahilfer Straße waren mit sehr viel Kontroverse verbunden. Man kann nicht oft genug jenen danken, die einem den Rücken gestärkt haben. Das ist selten in der Politik. In anderen Parteien kriegt man von den eigenen Leuten Messer in den Rücken gerammt.
STANDARD: Sie haben in der Vergangenheit aber auch angeklagt, dass Sie von außen vielen Anfeindungen ausgesetzt waren.
Vassilakou: Mir ging es darum, zu thematisieren, was in einer Gesellschaft tragbar ist und wann es Überschreitungen gibt, die nicht mehr zu tolerieren sind. Etwa als ich Morddrohungen erhalten habe – ich erwähne hier konkret denjenigen, der aufgerufen hat, mich mit Benzin zu übergießen und anzuzünden. Es ist eine völlig andere Sache, wie ich damit als Person umgehe. Ich habe immer gesagt, Politik ist nichts für Lulus. Wer die Hitze nicht mag, soll die Küche nicht betreten. (DER STANDARD, 16.2.2015)