Die erste der seltsamen Wolken (aufgenommen am 23. März 2012), die bisherigen Annahmen über die Marsatmosphäre widersprechen.

Foto: Grupo Ciencias Planetarias (GCP) - UPV/EHU

Bilbao/Wien - Es war eine rätselhafte Entdeckung, die Amateurastronomen am 12. März 2012 machten: Sie beobachteten unmittelbar über der Südhalbkugel des Roten Planeten in ungewöhnlichem Abstand zur Marsoberfläche weit ausgedehnte Rauch- oder Dampffahnen.

In den folgenden zehn Tagen vergrößerte sich das Rätsel der Marswolken noch weiter: Das Phänomen wurde immer wieder an derselben Stelle am Marsmorgen beobachtet, nie jedoch am Marsabend. Dann verschwand die Formation für 14 Tage. Vom 6. bis 16. April 2012 allerdings wurde eine ähnliche Erscheinung an etwa derselben Stelle beobachtet, ehe sie endgültig verschwand.

Wolkenformationen sind auf vielen Planeten und Monden unseres Sonnensystems nichts Außergewöhnliches. Am bekanntesten ist der "große rote Fleck" des Jupiters, ein sich verändernder gigantischer Wirbelsturm in einer Atmosphäre aus Wasserstoff, Helium, Ammoniak, Methan und anderen Stoffen.

Extreme Höhe der Wolke

Die 2012 entdeckte Wolkenformation am Mars, die eine Ausdehnung von rund 1000 Kilometern sowohl in Nord-Süd- als auch in Ost-West-Richtung aufwies, ist aber auch deshalb mysteriös, weil sie in ungewöhnliche Höhe über die Marsoberfläche aufstieg - nämlich auf weit über 200 Kilometer, wie nun ein Forscherteam um den spanischen Astrophysiker Agustin Sánchez-Lavega (Universität des Baskenlandes in Bilbao) im Fachblatt Nature berichtet.

Die bekannten Marswolken aus Kohlendioxid- oder Wassereiskristallen erreichen gerade einmal 100 Kilometer. Marsianische Staubwolken kommen bis auf 60 Kilometer über der Oberfläche vor, und Polarlichter sind bisher nur bis in einer Höhe von 130 Kilometern beobachtet worden.

Sánchez-Lavega und seine Kollegen machten sich zuerst einmal auf die Suche nach möglichen anderen Beobachtungen solcher Phänomene auf dem Roten Planeten und stießen auf Fotos, die das Weltraumteleskop Hubble am 17. Mai 1997 machte und die ein ähnliches Phänomen zeigen. Diese Aufnahmen wurden neben den zahlreichen Fotos von 2012 in die Analyse einbezogen.

Offensichtlich scheint dabei nur, dass sich diese mysteriösen Gebilde rasch verändern und ein zyklisches Verhalten aufweisen. Und aufgrund der Höhe der Wolkenformation lasse sich nach derzeitigen Kenntnissen ausschließen, dass die ungewöhnliche Wolkenformation aus gewöhnlichen Eiskristallen, Staub oder Polarlichtern bestanden haben dürfte. Doch was war es dann?

Mit einer eindeutigen Antwort muss auch das international zusammengesetzte Wissenschafterteam um Sánchez-Lavega passen. Mit zwei verschiedenen Simulationen von Umwälzungen in der bisher bekannten Marsatmosphäre konnten sie die Beobachtungen und die Natur der Wolken bisher nicht endgültig klären.

Am ehesten kommen Wassereispartikel einer Größe von etwa 100 Nanometern (Millionstel Millimetern) infrage. Allerdings müsste die Temperatur in der höheren Atmosphäre dann um etwa 50 Grad Celsius niedriger sein als bisher bekannt. Auch Eis aus Kohlendioxid wäre eine Möglichkeit. Doch dann müsste es sogar 100 Grad Celsius kälter sein als bislang gedacht.

Ultrahelle Polarlichter?

Schließlich könnte das Phänomen auch auf Polarlichter zurückgehen. Doch diese müssten 1000-mal heller sein als Polarlichter auf der Erde. Es seien jedenfalls weitere Beobachtungen erforderlich, um die Ursache für das Phänomen weiter einzugrenzen, schreiben die Forscher. Klar ist nur, dass alle drei Erklärungen dem bisherigen Wissen über die obere Atmosphäre des Roten Planeten eindeutig widersprechen. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 17.2.2015)