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Kämpfer für die international anerkannte Regierung Libyens in Bengasi. Das Duell zwischen den zwei Regierungen schwächt den libyschen Staat - die IS profitiert.

Foto: REUTERS/Esam Omran Al-Fetori

Youssef hat das Video mit den Bildern der ersten Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten im Zentrum Bengasis, das er am 15. Februar 2011 an Al-Jazeera geschickt hatte, von seinem Handy gelöscht. Die Proteste waren Auslöser für die Revolution des 17. Februar gegen die Gaddafi-Diktatur gewesen.

Der Mann war einst stolzer Revolutionär. Heute ist er ernüchtert. Er stöhnt unter den Folgen der Kämpfe; und ist froh, dass die Auseinandersetzungen in Bengasi sein Wohngebiet noch nicht erreicht haben. Von Feiern zum 17. Februar will er nichts wissen. Die sollten eigentlich in Tripolis stattfinden, eine der zwei rivalisierenden Regierungen hat sie organisiert. Doch nun werden sie vom Mord der Terrormiliz IS an 21 Kopten überschattet.

Zuwächse für die Jihadisten

Seit Mitte des vergangenen Jahres haben sich mehrere libysche Milizen der IS angeschlossen. Heute haben sie die Städte Derna und Sirte unter Kontrolle, in letzterer wurden die Kopten entführt. Erst vor wenigen Tagen verübte die IS einen Anschlag auf ein Luxushotel in Tripolis. Nach der Ermordung der 21 ägyptischen Christen herrschte am Montag der Kampf um die Interpretation.

Beide rivalisierenden Regierungen des Landes haben mit Abscheu reagiert. Jene in Tripolis, die von Islamisten dominiert wird, kritisierte aber die Luftangriffe, mit denen Ägyptens und Libyens Armee auf die Tat antworteten, als Souveränitätsverletzung. Alle Gruppen, die die beiden Regierungen stützten, erklärten, sie hätten mit der IS nicht im Entferntesten zu tun.

Besorgte Stimmen, die vor der Gefahr der IS für Libyen und die ganze Region warnten, waren in letzter Zeit lauter geworden. Aber eine Strategie für ihre Bekämpfung in der komplizierten Politikarena ist nicht auszumachen.

Seit Sommer herrscht institutionelle Anarchie. In Tobruk sitzen das offiziell anerkannte Parlament und die Regierung von Abdullah al-Thinni, die von der nationalen Armee und Ex-General Khalifa Haftar unterstützt werden. In Tripolis herrscht eine Gegenregierung, die von bewaffneten Kräften der islamistischen Fajr-Milizen ("Morgendämmerung") getragen wird. Keine der Gruppen kann die Versorgung gewährleisten. In mehreren Gebieten toben bürgerkriegsähnliche Kämpfe.

Institutionelle Anarchie

Die Auswirkungen des Chaos treffen alle: In mehreren Städten gibt es Versorgungsengpässe bei Öl, Strom und Wasser. In Tripolis fällt die Elektrizität bis zu acht Stunden am Tag aus. Die Ölindustrie liegt am Boden. Spitäler müssen schließen, weil ausländisches Personal fehlt. Hunderttausende Libyer wurden durch die Kämpfe vertrieben.

Statt eines geeinten Libyens hätten sich viele Ministaaten aus den Stämmen gebildet, beschreibt Adel Faydi vom Forum der Stammesführer die gegenwärtige Lage. Die Stämme unterstützen in ihrer Mehrheit die Tobruk-Regierung, sind aber auch eine wichtige zweite Kraft neben der Uno, die versucht zu vermitteln und eine Front gegen Extremisten bildet.

Islamisten waren immer eine wichtige Komponente der Opposition gegen Muammar Gaddafi. Nach dem 17. Februar 2011 haben extremistische Kräfte eine entscheidende Rolle gespielt; die neue Führung hat das stets heruntergespielt, um die Unterstützung des Westens nicht zu verlieren. Nach Gaddafis Tod haben sie einen Rachefeldzug gegen dessen Anhänger begonnen und mit Waffengewalt ein rigoroses Isolationsgesetz durchgesetzt gegen alle, die je in der Gaddafi-Administration tätig waren - und so die Basis für die Konfrontation gelegt. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 17.2.2015)