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Schachtjors Langzeittrainer, der Rumäne Mircea Lucescu, leitet das Abschlusstraining vor dem Achtelfinale gegen Bayern in Lvivs EM-Arena.

Foto: apa/epa/dolzhenko

Lwiw - Rinat Achmetow. Mit ihm steht und fällt alles bei Schachtjor. Der Oligarch, bis vor kurzem noch der mächtigste Mann in der Ukraine, erlitt seit der Revolution schwere Verluste. Wie er war auch seine Mannschaft Schachtjor Donezk aus der ostukrainischen Stahlindustrie emporgestiegen, und es schien lange Zeit keine Grenzen zu geben. Uefa-Cup-Sieg 2009, Dauererfolge in der Champions League, und die Legionäre kamen gerne nach Donezk. Das alles hat mit dem Krieg ein abruptes Ende genommen.

Was der für allmächtig gehaltene Rinat Achmetow (49) in Donezk aufgebaut hat, vom Stadion bis zu seinem Firmenimperium, begann im Krieg zu bröckeln. Er hat an allen Ecken und Enden Probleme. In der ukrainischen Meisterschaft beträgt der Rückstand von Schachtjor auf Tabellenführer Dynamo Kiew schon fünf Punkte, Dnipro liegt nur drei Zähler hinter Schachtjor auf dem dritten Platz. Dazu kommt die Heimatlosigkeit. Auch für das Champions-League-Achtelfinalhinspiel am Dienstag (20.45 Uhr, Puls 4) gegen Bayern München muss Schachtjor in die 1200 Kilometer entfernte westukrainische Lwiw (Lemberg) ausweichen. Und die Gastspiele kosten viel.

Was ist das schon für Rinat Achmetow? Das hätte man früher gesagt, doch jetzt bekommt der Oligarch auch politischen Druck zu spüren. Der ukrainische Geheimdienst ermittelt gegen ihn wegen geheimer Unterstützung der Donbass-Separatisten. Er ist vorerst als Zeuge vorgeladen. Auch seine führende Rolle im ukrainischen Fußballverband geht verloren.

Der große Widersacher

Igor Kolomojski, der Eigentümer von Ligakonkurrent Dnipropetrowsk, will für das Verbandspräsidentenamt kandidieren, und im Gegensatz zum jetzigen Verbandsboss gilt er nicht als Mann Achmetows - Kolomojski ist Achmetows größter wirtschaftlicher Widersacher in der Ostukraine.

In Lwiw kann sich Schachtjor alles andere als zu Hause fühlen. Bei manchen Spielen gibt es sogar hörbare Parolen gegen den Klub. Um überhaupt Zuschauer ins EM-Stadion von 2012 zu locken, wurden die Ticketpreise deutlich gesenkt, vergeblich. Eine Rückkehr nach Donezk ist momentan ausgeschlossen. Die hochmoderne Donbass-Arena wird von Panzern umringt, die Fassade und auch der Eingangsbereich wurden durch Granatsplitter beschädigt, das Dach wurde durch die Druckwelle mehrere Zentimeter angehoben. Der Krieg hat alles verändert. An Fußball denkt in Donezk kaum noch jemand, auch Schachtjors Klubverwaltung musste nach Kiew ziehen. In der Hauptstadt hat der Minenarbeiterklub eine provisorische Zentrale errichtet, auch das Training der Mannschaft findet dort statt.

Noch im Winter bezog Schachtjor luxuriöse Trainingslager in Brasilien und Spanien, und doch glauben viele Ukrainer, dass das Duell mit Bayern zum letzten großen Samba für die Orange-Schwarzen aus der einst prächtigen Millionenstadt Donezk wird. Dreizehn Brasilianer könnten den Klub verlassen, wenn die Champions League kein Thema mehr ist. Und Schachtjors Erfolg hängt fast ausschließlich von den Legionären ab.

In Donezk sind die Straßen von Trümmern übersät, der moderne Flughafen ist verwüstet. Immer neue Schreckensnachrichten von Explosionen in Schulen und Spitälern machen die Runde. Den Menschen, die nicht geflohen sind, fehlt es an allem. Hilfsmittel und Nahrung werden beim einstigen Donbass-Stadion verteilt. Ob hier je wieder Fußball gespielt wird, ist unklar. (mdt; sid, DER STANDARD, 17.2.2015)