Elisabeth Knechtl, deren Leben das Fechten ist.

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Knechtl 1995 in Graz vor einem Länderkampf zwischen Österreich und Ungarn. Für die Nachwuchsarbeit blieb ihr immer Zeit.

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Graz/Wien - Bewegung wäre nicht schlecht, sagte Franz Knechtl angesichts eines Werbezettels für den Fechtsport, den seine siebenjährige Tochter Elisabeth vom Sacré Coeur in Graz nach Hause mitbrachte. Also wurde Lissy angemeldet beim Verein Union Wirtschaftskammer Graz, wo man ihr eine Waffe in die Hand drückte, die sie fortan eigentlich nie wieder hergeben wollte.

"Fechten ist mein Leben", sagt Elisabeth Knechtl heute, mit 43 Jahren. Die Mutter von vier Kindern hat die Waffe, ihre Waffe, den Degen, doch einmal für längere Zeit aus der Hand gelegt. Im Sommer 1996, der für sie eigentlich ein triumphaler hätte werden sollen. Für die Spiele in Atlanta war das Degenfechten der Frauen ins olympische Programm aufgenommen worden. Elisabeth Knechtl galt als Anwärterin auf einen Spitzenplatz. "Ich hätte eine Medaille, meine Medaille gemacht", sagt sie.

Hätte, weil Knechtl, die damals schon im dritten Monat mit ihrem ältesten Sohn Lukas schwanger ging, nicht mitgenommen wurde zu den Spielen. "Acht, neun Tage vor dem Abflug" habe sie vom Österreichischen Olympischen Comité eine Absage per Telegramm bekommen. Ihr Platz sei vom ÖOC für einen Funktionär benötigt worden. "Da bin ich in ein tiefes Loch gefallen", sagt Elisabeth Knechtl. "Ich habe meine Fechtsachen in ein Eck gestellt, und es hat zehn Jahre gedauert, bis ich sie wieder nehmen konnte."

Schwieriger Abschied

Die Trennung von ihrem sportlichen Leben verursachte psychische Probleme, Knechtl litt an Bulimie, zu den Abnützungserscheinungen an ihrem Sportlerkörper - "ich habe in meinen besten Tagen mit den Beinen 320 Kilogramm gestemmt" - schlug sich eine Polyneuropathie, Knechtl hatte Lähmungserscheinungen in den Beinen, drei Wirbel mussten schließlich verblockt werden.

Die Probleme waren umso gravierender, als Elisabeth Knechtl bis zum Sommer 1996 daran gewöhnt war, ihren Weg unbeirrt zu gehen. "Ich habe von zu Hause Härte und Stärke mitgekriegt." Vater Franz, der sich ein Friseurgeschäft aufgebaut hatte, stand konsequent hinter der von ihm verursachten Leidenschaft seiner jüngeren Tochter. Die um vier Jahre ältere Alexandra bewies Knechtl'sche Konsequenz, indem sie die jüngste Friseurmeisterin Österreichs wurde. Elisabeth hatte sich dagegen mit dem Florett ins Leistungszentrum Südstadt gekämpft, wo sie sich mit 14 Jahren um Aufnahme bemühte, weil die aus Graz gewohnten drei Trainingseinheiten pro Woche den Ansprüchen nicht mehr genügten.

"Ich war eine unheimliche Kampfsau", sagt Elisabeth Knechtl. Mit ihrer Einstellung passte sie gut in die Anstalt des Gunnar Prokop. "Gunnar hat uns stark und zu dem gemacht, was wir sind", sagt die ehemalige Klassenkollegin der Tennisspielerin Barbara Paulus. Es war allerdings Trainer Lajos Slovensky, der sie zu einer Fechterin mit dem Degen machte, einer Waffe, die in puncto "Zusammenspiel von Geist und Körper mehr verlangt". Knechtl war bald eine der besten Degenfechterinnen ihrer Generation, feierte Siege im Juniorenweltcup und fiel auch Manfred Kasper auf. Der deutsche Bundestrainer brauchte eine wie sie in seiner Mannschaft, holte die Steirerin also zum olympischen Fechtklub Bonn, wo Knechtl fortan eine Riege mit Stars wie Imke Duplitzer und Claudia Bokel schmückte. 1992, bei der EM in Lissabon, musste sie sich erst im Finale der Ungarin Marina Várkonyi geschlagen geben. Knechtl feierte mehr als zehn Weltcupsiege, gewann 1993 gar die Gesamtwertung. 1995 reichte es bei der WM in Den Haag zu Rang fünf.

Elisabeth Knechtl ist in diesen Jahren Fechtprofi, absolviert aber quasi nebenher ihr Studium (Rehabilitation und Gesundheitsmanagement, Lehramt für sonderpädagogische Förderung) an der Sporthochschule in Köln - in Mindestdauer. "Ich kam manchmal um drei Uhr in der Nacht von einem Weltcup zurück und war um sieben Uhr schon wieder an der Uni."

Rückkehr nach Österreich

Für einen Teil ihres späteren Berufslebens ist ein Erlebnis während eines Praktikums in einer Kölner Schule für erziehungsschwierige Kinder ausschlaggebend. "Ich habe dort ein derart unflätiges Kind erlebt, dass ich mithelfen wollte, dass Kinder früh zu gefestigten Persönlichkeiten werden." Knechtl, inzwischen mit dem deutschen Säbelfechter und Kampfrichter Joachim Wargalla liiert, der den Olympiastützpunkt in Leverkusen leitete, kehrt 1998, also längere Zeit nach der olympischen Enttäuschung und dem daraus resultierenden plötzlichen Karriereende, nach Österreich zurück. Mit ihrem Mann, den sie im Winter 1996 nach der Geburt ihres Sohns Lukas geheiratet hatte, führte sie eine Fernbeziehung, "die ich nach dreieinhalb Jahren satt hatte. Danach musste er zu mir kommen."

Trotz ihrer körperlichen und psychischen Probleme baute sie einen auch kommerziell erfolgreichen, privaten Kindergarten auf. Im "Beerenland" kümmern sich drei Pädagoginnen um eineinhalb- bis sechsjährige Kinder, "nie mehr als 18, 19, damit wir uns sehr individuell kümmern können", sagt Knechtl, die allerdings nur noch ihre Leitungsfunktion ausübt und wie ihr Mann zudem noch in der Pharmaindustrie tätig ist. Er als Vertriebs- und Exportleiter eines Tiroler Unternehmens, sie in der Entwicklung von Nahrungsergänzungsmitteln.

Und dann sind da noch die eigenen Kinder, die allesamt fechten. Auch dem Alter gemäß am auffälligsten tut das derzeit Lukas Knechtl. "Der ist meine Reinkarnation, ein Zweimeterprügel." Der 17-Jährige ficht mit dem Degen "wegen der besseren Bedingungen" als Doppelstaatsbürger für Deutschland, fand zuletzt Aufnahme in den C-Bundeskader, steht also vor einer großen sportlichen Zukunft.

Nachfolger und Nachwuchsarbeit

Die Mutter war seine Trainerin, nachdem sie doch wieder ihr Fechtzeug aus der Ecke geholt hatte. Nach der Geburt von Simon - vor dem jetzt Siebenjährigen hatten David (12) und Lucia (11) die Familie verstärkt - focht Elisabeth Knechtl auch wieder für sich und den UWK Graz. Sie gewann trotz ihrer körperlichen Probleme wieder Meisterschaften, führte die Rangliste in Österreich an. "Ich komme in der Früh nur schwer auf, aber beim Fechten tut mir nichts weh."

Umso schmerzhafter war für sie, dass ihr Stammverein UWK im vergangenen Juni befand, dass er sich die Trainerin Elisabeth Knechtl künftig nicht mehr leisten könne. Diesmal musste sich die Geschasste aber nicht allein aufrichten, denn Eltern ihrer Trainingsschützlinge taten sich zusammen und gründeten kurzerhand einen eigenen Verein, die Grazer Fechtunion, die mittlerweile 50 Mitglieder zählt - darunter natürlich alle Knechtl-Kinder und Ehemann Joachim als Vorstandsvorsitzender.

Elisabeth Knechtl kümmert sich auch in Schulen um die Talentesichtung, wobei ihr die Unterscheidung von reinem Talent und Kämpfernatur wichtig ist. Schließlich hat sie ihre eigene Lektion ziemlich hart gelernt. Der seinerzeit vom Vater ans Herz gelegte Sport "gibt einem viel, aber er nimmt auch viel". (Sigi Lützow, DER STANDARD, 17.2.2015)