Eine Statuette, die die Preisträger eher nicht glücklich macht. Der Plagiarius-Zwerg mit goldener Nase.

Foto: Aktion Plagiarius e.V.

Am Sonntag gibt's in Hollywood die Oscars. Die Preisträger werden lachen, weinen, vielleicht beides, sie werden sich bei Mum und Dad bedanken und dann Party machen. Eine Woche zuvor wurde in Frankfurt der Plagiarius verliehen, eine Art Oscar für die dreistesten Produktfälschungen aus aller Welt. Dankesreden gab es nicht, Party auch nicht, geschweige denn einen roten Teppich. Noch nicht einmal anreisen wollten die Ausgezeichneten. Aus gutem Grunde, denn was hier prämiert wurde, ist mehr als dreist.

Dreist klingt nach spitzbubenhaftem Kavaliersdelikt, dabei geht es in Sachen Plagiarius um eine Fake-Industrie, die mit gefälschten Produkten vom Tempo-Taschentuch bis zum Möbelklassiker weltweit 600 Milliarden Dollar umsetzt.

Allein in Deutschland kostet derlei Piraterie an die 70.000 Jobs. Klar könnte man sagen, auch die Fälscherwirtschaft schafft Arbeitsplätze, aber das wäre, wenn auch nicht unbedingt ein zynisches, ein doch fahrlässiges Argument, schließlich geht es bei der Geschichte nicht nur um Geschäftsschädigung, Diebstahl geistigen Eigentums, mitunter menschenunwürdige Herstellungsbedingungen, sondern auch um Sicherheit.

Käsereibe "Kasimir" und Kuchenmesser "Coco"
Foto: Aktion Plagiarius e.V.

Gesundheitsschädlich

Nicht selten kommen bei gefälschten Objekten Materialien zum Einsatz, die gesundheitsschädlich sein können. Selbst vor der Notfallmedizintechnik und Medikamenten lassen die Fälscher nicht die Finger.

Gefladert wird seit Menschengedenken, 1977 hatte Rido Busse die Nase voll. Der Industriedesigner entdeckte auf der Frankfurter Frühjahrsmesse beim Stand eines Produzenten aus Hongkong ein Plagiat der Brief- und Diätwaage Nr. 8600 der Firma Soehnle-Waagen. Das Original war von der Busse Design GmbH entworfen worden und kostete 26 Deutsche Mark. Der Chinese verlangte für sechs Stück 24 Mark, sein Kunststoff war ein minderwertiger. Verkauft hatte er schon über 100.000 Stück. Soehnle erwirkte zwar eine einstweilige Verfügung, doch zwei Monate später bot bereits ein anderer Asiate das Fake feil .

Spiralschneider "SPIRELLI"
Foto: Aktion Plagiarius e.V.

36 Millionen rechtsverletzende Produkte im Wert von 760 Millionen Euro hat der EU-Zoll vor zwei Jahren an den Außengrenzen beschlagnahmt. Rund 70 Prozent der Aufgriffe betreffen Post- und Kurierpakete, die auf private Online-Bestellungen zurückgehen. Busse wurde schon damals klar, dass der juristische Weg einer Art Sisyphusarbeit gleichkommt, und setzte auf die Bekanntmachung der Problematik durch Öffentlichkeitsarbeit - so will er die Fladeranten in eine Art Business-Schamecke drängen.

Weil auch der Oscar ohne Oscar nicht der Oscar wäre, erfand Busse eine, wenn auch negativ behaftete, Symbolfigur, den Plagiarius. Der kommt in Form des handelsüblichen Gartenzwergs Nr. 917 daher. Busse pinselte ihn schwarz an und verpasste ihm als Symbol für den Gewinn durch Plagiate eine goldene Nase.

Notfall-Beatmungsgeräte "MEDUMAT Easy" und "MEDUMAT Transport"
Foto: Aktion Plagiarius e.V.

Zum 39. Male wurde dieser vergangene Woche auf der Frankfurter Messe Ambiente verliehen. Schämen darf sich der chinesische Fälscher eines Heißluftgebläses, der deutsche Nachmacher einer Möbelrolle, wie man sie an Bürostühlen findet, und der böseste Fake kommt in Form von zwei Notfallbeatmungsgeräten aus China daher. An den Pranger gestellt wurden ferner die Fälscher von Parfums, des Cor-Möbelklassikers Conseta, eines Spiralschneiders, einer Käsereibe, eines Küchenschneidegerätes, von Porzellanengeln sowie einer LED-Taschenlampe.

Sollten die Ausgezeichneten glauben, über die Sache würde schnell Gras wachsen, mögen sie recht haben, ein Platz im Plagiarius-Museum in Solingen, wo die Preisträger seit 1977 ausgestellt werden, ist den Produktpiraten allerdings sicher. Und Museen haben vor allem eines: Zeit. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 20.2.2015)

"Jean Paul Gaultier Classique" und "Jean Paul Gaultier Le Male".
Foto: Aktion Plagiarius e.V.