Wien - Es ist nicht immer Karl-Heinz Grasser, der als wandelnde Unschuldsvermutung vor Gericht eine Rolle spielt. In einem Wirtschaftsstrafverfahren gegen Heinrich Schuster, Gründer der Plakatfirma Epamedia, spielt Zeuge Andreas Staribacher, in den 90er-Jahren für acht Monate Finanzminister für die SPÖ, die entscheidende Rolle.
Richter Michael Tolstiuk muss klären, ob Schuster im Jahresabschluss einer seiner Firmen absichtlich einen Passus hineingeschrieben hat, der das Unternehmen finanziell besser dastehen ließ, und so indirekt eine Insolvenz verhinderte. Und Staribacher war zur fraglichen Zeit sein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.
Schusters Verteidiger Eduard Salzborn versteht gar nicht, warum man überhaupt hier ist. Denn ja, sein Mandant habe die inkriminierte Passage unterschrieben, aber nein, es gab keinen Vorsatz, sondern es war ein Irrtum. Die Anklage nach dem GmbH-Gesetz sei daher nicht gerechtfertigt.
Größter Gläubiger der eigenen Firma
Der Hintergrund: Schuster war mit 2,6 Millionen Euro der größte Gläubiger seiner eigenen Firma. Es sollte aber klargestellt werden, dass im Falle einer Insolvenz erst alle anderen Gläubiger bedient werden müssen und er sich ganz hinten anstellt.
Hinter diesem Hintergrund steht aber ein anderer: ein erbitterter Streit mit Raiffeisen, die die Epamedia gekauft und Schuster hinausgedrängt hat. Es laufen mehrere Verfahren, dieses ist quasi ein Nebenprodukt.
Der Privatbeteiligtenvertreter der Bank argumentiert nämlich wie der Staatsanwalt: Schuster habe den Verkaufserlös von rund 30 Millionen Euro damals so verwaltet, dass er Steuern sparte. Wäre seine Firma insolvent geworden, hätte er die Abgaben nachzahlen müssen. Und da traf es sich gut, wenn im Jahresabschluss nichts von einer Überschuldung steht.
Distinguierter Angeklagter
Der 73-jährige Angeklagte ist ein distinguierter Herr. Mit Stecktuch in der Brusttasche steht er so lange vor dem Anklagestuhl, bis ihn Richter Tolstiuk auffordert, Platz zu nehmen. Dann bekennt sich Schuster "nicht schuldig". Wobei er auch zugibt: "Ich habe die Passage nicht gelesen, das war sicher ein Fehler."
Aber die Dokumente seien ihm von der Kanzlei Staribacher so vorgelegt worden. Da es ohnehin Vorbesprechungen gegeben habe, sei für ihn alles in Ordnung gewesen. Irgendwelche Hintergedanken bezüglich einer Insolvenzvermeidung habe er nicht gehabt.
Wem der Richter mehr glaubt, hängt also von der Aussage Staribachers ab. Und der macht etwas, was für Politiker hierzulande praktisch undenkbar ist: Er gesteht einen Fehler ein und entlastet so seinen Mandanten.
Man habe die Unterlagen von der Vorgängerkanzlei elektronisch übernommen. Und dabei sei offensichtlich übersehen worden, dass sich die Textpassage im Anhang auf ein Dokument bezogen hat, das es gar nicht gab.
"Technischer Fehler" in der Hektik
Der mögliche Hintergrund des "technischen Fehlers": Der letztmögliche Tag, an dem Bilanzen eingereicht werden dürfen, ist der 30. September - später drohen Strafen. "Das ist wirklich der D-Day für uns", beschreibt Staribacher die Hektik. Unternehmer mit mehreren Firmen - wie Schuster - würden dutzende Dokumente unterschreiben.
Der Privatbeteiligtenvertreter sieht ein "gewichtiges Indiz" in der Tatsache, dass Schuster den steuerlichen Vorgänger von Staribacher nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbindet. Der könnte nämlich klären, ob die Passage in den Bilanzen von ihm stammt. "Da geht es um Millionen, Herr Rat. Da sind keine Laien am Werk", merkt er an.
Tolstiuk folgt ihm nicht und spricht Schuster nicht rechtskräftig frei. "Wir haben den Zeugen Staribacher gehört", verweist er auf dessen Fehlereingeständnis. Mit feiner Ironie merkt der Richter allerdings auch "Man kann sich vielerlei denken, aber es gibt keine Beweise" an. (Michael Möseneder, derStandard.at, 17. 2. 2014)