Es scheint fast so, als hätte sich Griechenland die Tür zum EZB-Tresor selbst vor der Nase zugeschlagen. Niemand kann wollen, dass Griechenland ewig durch den europäischen Finanzmarkt taumelt und die Zinsen der griechischen Schulden mit auswärtigem Steuergeld (Hilfspakete) bezahlt werden – und die Steuergelder an der notleidenden Bevölkerung vorbei, wieder in den Gläubigerbanken der exportorientierten Länder landen.

Doch wie könnte man Griechenland ohne Notenbankgeld refinanzieren? Ein Lösungsansatz wäre, die Geldschöpfungsmöglichkeiten der Geschäftsbanken sinnvoll zu nutzen. So könnten griechische Banken eigene Stammaktien begeben. Mit dem Eigenkapital könnten die Banken – unabhängig von der Notenbank – Giralgeld schöpfen, indem sie zum Beispiel Finanzierungskredite für den Kauf von griechischen Staatsanleihen vergeben.

Dieser Ansatz, erklärt am sehr vereinfachten Beispiel zweier Griechen, nennen wir sie Alexis und Yanis:

Alexis plant mit Kreditgeld Stammkapital einer Staatsbürgerbank zu kaufen. Alexis beantragt bei seiner Bank einen "Mikrokredit" in der Höhe von 3.000 Euro, mit sechs Prozent Zinsen und einer Laufzeit von zehn Jahren. Die jährliche Rückzahlungsrate würde in etwa 407 Euro betragen. Mit dem Kreditgeld will er Stammaktien einer (Staats-)Bürgerbank kaufen und diese als Kreditsicherheit hinterlegen.

Alexis erwartet sich von der Staatsbürgerbank in den ersten zehn Jahren eine jährliche Dividende von 510 Euro (17 Prozent Rendite) danach soll die Dividende nur mehr 150 Euro (5 Prozent Rendite) betragen. Mit den Dividenden möchte er seine Kreditraten für den Mikrokredit bezahlen und den verbleibenden Restbetrag ausgeben können.

Yanis plant mit einem Kredit der Staatsbürgerbank Staatsanleihen zu kaufen. Der Grieche Yanis hingegen beantragt bei der Staatsbürgerbank einen Finanzierungskredit in der Höhe von 30.000 Euro, mit 2,5 Prozent Zinsen und einer Laufzeit von 30 Jahren. Die jährliche Kreditrate würde in etwa 1.433 Euro ausmachen. Mit dem Kreditgeld will er griechische Staatsanleihen kaufen und diese als Kreditsicherheit bei der Staatsbürgerbank hinterlegen. Die Anleihen müssten in etwa mit 4,8 Prozent (=1433/30000) verzinst sein, damit er mit der Rendite die Raten seines Finanzierungskredits begleichen kann.

Die Staatsbürgerbank könnte Alexis' Dividende mit Yanis' Zinsen bezahlen. Die Staatsbürgerbank könnte mit 3.000 Euro Eigenkapitalzuwachs zusätzliche Kredite in der Höhe von ca. 30.000 Euro vergeben (bei einer Mindesteigenkapitalquote von zehn Prozent). Würde Alexis für 3.000 Euro (Eigenkapital oder Kreditgeld) Stammaktien kaufen, könnte die Staatsbürgerbank Yanis den Kredit über 30.000 Euro genehmigen. Vorausgesetzt, Griechenland begibt 30-jährige Staatsanleihen für griechische Staatsbürger mit 4,8 Prozent Zinsen.

Die Staatsbürgerbank wäre dann in der Lage, Alexis – mit ihren Zinseinnahmen aus dem "luftgeschöpften" Kreditgeld für Yanis – in den ersten zehn Jahren eine Dividende von 510 Euro und in den folgenden 20 Jahren eine Dividende 150 Euros auszubezahlen.

Der Plan geht für alle auf. Selbstverständlich würde Alexis ebenso wie Yanis einen Finanzierungskredit für Staatsanleihen beantragen und Yanis würde sicher auch Stammkapital der Staatsbürgerbank kaufen. Die Höhe des Stammkapitals wäre mit zehn Prozent der Pro-Kopf-Staatsverschuldung zu deckeln und der Finanzierungskredit mit der Höhe der Pro-Kopf-Staatsverschuldung. Somit würden Alexis und Yanis nur von ihrem ideellen Anteil der Staatsverschuldung profitieren.

In den ersten zehn Jahren würden sie mit der Staatsbürgerbank-Dividende von 510 Euro, die Raten für ihren Mikrokredit (407 Euro) bezahlen. Mit den Zinsen ihrer Staatsanleihen (1.440 Euro) könnten sie die Raten des Finanzierungskredits (1.433 Euro) begleichen. Somit hätten sie in den ersten zehn Jahren ein verfügbares Kapitaleinkommen von ca. 110 Euro und in den folgenden 20 Jahren von ca. 160 Euro.

Nach 30 Jahren wären ihre Finanzierungskredite abbezahlt. Die Staatsbürgerbank hätte genügend Rücklagen gebildet, um Alexis und Yanis ihre Stammkapitalanteile auszahlen zu können (je 3.000 Euro). Alexis und Yanis wären nun die Gläubiger ihrer ideellen Pro-Kopf-Staatsverschuldung und würden von den Zinsen der Staatsverschuldung mit jährlich ca. 1.440 Euro profitieren (sofern die Anleihezinsen gleich blieben).

Griechenland wäre de facto schuldenfrei. Griechenland hat zehn Millionen Staatsbürger und ist mit ca. 300 Milliarden Euro verschuldet. Beträgt die durchschnittliche Laufzeit der Staatsanleihen zehn Jahre, müssten sich in Griechenland über zehn Jahre hinweg jährlich eine Million Staatsbürger finden, die es Alexis und Yanis gleich tun. Nach 40 Jahren hätten sich die Schulden de facto von selbst abgetragen. Der Staat könnte fortan die Zinsen der Staatsschulden mit den Steuern der Gläubiger bezahlen. Nach der Umschuldung würden weder der Staat noch die Bürger von unangemessen hohen oder niedrigen Anleihezinsen (beziehungsweise Steuern) profitieren können. Die Staatsfinanzierung wäre vom Finanzmarkt entkoppelt. Griechenland hätte keine Außenschulden mehr und könnte im Euroraum verbleiben. Die Gläubiger Griechenlands wären voll ausbezahlt und die Zinsen der Staatsschulden würden den Steuerzahlern zugute kommen. (Peter Schneeweis, derStandard.at, 17.2.2015)