Bild nicht mehr verfügbar.

Eltern geben laut einer Studie der Arbeiterkammer 700 Euro pro Schuljahr für private Nachhilfe aus.

Foto: dpa/Buettner

Wien - Michael Häupl (SPÖ) grinst breit im Sonnenschein. In einer Broschüre zur "Förderung 2.0" freut sich der Wiener Bürgermeister über die positiven Rückmeldungen der Schulen zur neuesten Initiative der Stadt. Seit Herbst 2014 gibt es für Volksschüler die Möglichkeit von zwei kostenlosen Nachhilfestunden pro Woche. In dieser Woche haben auch die Kurse für die Zehn- bis 14-Jährigen begonnen. So positiv wie Häupl sehen das Projekt jedoch nicht alle. Vor allem Lehrer sind skeptisch. Sie kritisieren den hohen Verwaltungsaufwand und zweifeln am Sinn der Maßnahme.

Komplizierte Organisation

Tatsächlich mutet die Organisation der "Förderung 2.0" kompliziert an. Für die Zusatzförderung an den Volksschulen ist der Stadtschulrat zuständig, für die Kurse der Zehn- bis 14-Jährigen an den AHS-Unterstufen und den Neuen Mittelschulen sind die Wiener Volkshochschulen verantwortlich. Im Mittelpunkt der Nachhilfe stehen Mathematik, Deutsch und Lesen sowie Deutsch als Zweitsprache. Im Endausbau lässt sich die Stadt Wien das Projekt 20 Millionen Euro pro Jahr kosten.

An das Personal gibt es unterschiedliche Anforderungen: An der Volksschule unterrichten aktive Pädagogen, die ihre Lehrverpflichtung aufstocken, oder es werden neue Lehrerinnen angestellt. Die Zehn- bis 14-Jährigen werden von eigenem Lehrpersonal der Volkshochschulen unterreichtet. Gesucht werden dafür fertig ausgebildete Lehrer, solche, die mit ihrer Ausbildung noch nicht fertig sind, sowie "Personen mit Fachwissen im jeweiligen Lernhilfegegenstand". Derzeit unterrichten 370 Betreuer.

Konzentration auf Nachmittag

Während an der Volksschule die Lehrer entscheiden, welche Schüler freiwillig an den Kursen teilnehmen können, melden die Eltern der Zehn- bis 14-Jährigen ihre Kinder zur Nachhilfe an. Bisher haben sich 8.500 Schüler in Kurse eingeschrieben (siehe Wissen unten).

Eine Volksschullehrerin, die aus Angst um ihren Job nicht namentlich genannt werden will, berichtet im Gespräch mit derStandard.at, dass eigentlich keine ihrer Kolleginnen die kostenlose Nachhilfe für eine sinnvolle Idee hält. Sie kritisiert, dass zusätzliche Lehrer, die eigentlich am Vormittag gebraucht würden, jetzt am Nachmittag eingesetzt werden. Sie selbst ist Pädagogin für Sprachförderung und könnte zusätzliche Stunden nur am Nachmittag im Rahmen der "Förderung 2.0" bekommen. Neue Ressourcen würden somit nur in den Nachmittag fließen.

"Lehrerin kennt Kinder am besten"

Die Förderstunden sind auf zwei pro Woche beschränkt. "Die ganz Schwachen brauchen mehr", ist die Sprachlehrerin überzeugt. Auch dass die Klassenlehrer ihre eigenen Schüler nicht selbst am Nachmittag fördern dürfen, sei ein Fehler. "Die Lehrerin kennt die Kinder am besten."

Jene Zusatzlehrerin, die an ihrer Schule derzeit für die "Förderung 2.0" verantwortlich ist, habe Schwierigkeiten damit, auf alle Probleme der Kinder einzugehen – weil manche Schwierigkeiten in Deutsch, manche in Mathematik und manche mit der Sprache hätten.

Stadtrat verteidigt Projekt

Diese Kritik lässt man im Büro von Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) nicht gelten. Es obliege der Schule, ob die Kurse pro Fach oder für alle Schüler gemeinsam angeboten würden, sagt ein Sprecher in einer Stellungnahme.

Zudem sei es eine bewusste Entscheidung gewesen, dass die Klassenlehrerin keine Nachhilfe geben kann. "Das ermöglicht, dass durch die Nachmittagsbetreuung eine zweite objektive Meinung eingeholt werden kann. Die Schülerinnen und Schüler haben so außerdem die Möglichkeit, alternative Erklärungswege zu hören. Genau das haben sich auch viele Eltern gewünscht."

Zudem müsse die Nachhilfe nicht am Nachmittag stattfinden. Sofern es der Stundenplan zulasse, könne der Unterricht auch am Vormittag stattfinden. "Allerdings soll das zusätzliche Stundenkontingent nicht im regulären Unterricht untergehen, sondern Schülerinnen und Schülern, die Unterstützung brauchen, als zusätzliche Förderung zur Verfügung stehen."

Lehrervertreter: Zu viele Vorgaben

Stephan Maresch, Vorsitzender im Zentralausschuss der Wiener LandeslehrerInnen und Mitglied der Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG), berichtet im Gespräch mit derStandard.at von einigen organisatorischen Problemen bei der Einführung der kostenlosen Nachhilfe in den Volksschulen. So habe es anfangs geheißen, dass die Kinder für zwei Stunden nach dem Unterricht nach Hause gehen sollen, um dort zu essen, bevor sie wieder in die Schule kommen. "Kinder, die vor allem die Unterstützung brauchen, kommen nicht wieder, wenn sie einmal zu Hause sind", sagt Maresch. Mittlerweile wurde diese Regelung flexibler gestaltet.

Derzeit gebe es viel zu viele Vorgaben von oben, kritisiert der Lehrervertreter. "Es wäre wesentlich besser gewesen, wenn die Stadt Wien den Schulen zusätzliche Stunden zur Verfügung gestellt hätte, und die Schulen hätten autonom entschieden, wie sie fördern."

Elternvertreter sehen Förderung positiv

Die Elternvertreter sehen die "Förderung 2.0" hingegen positiv. "Alles ist gut, was Kinder unterstützt und für die Eltern kostenlos ist", sagt Elisabeth Rosenberger, Vorsitzende des Verbands der Elternvereine an den höheren und mittleren Schulen Wiens. Ob die Maßnahmen auch ankommen und das Geld sinnvoll eingesetzt wird, müsse man nach einem Jahr evaluieren. Im vergangenen Schuljahr und in den Sommerferien haben Eltern laut einer Studie im Auftrag der Arbeiterkammer Wien insgesamt 700 Euro für private Nachhilfe ausgegeben. (Lisa Kogelnik, derStandard.at, 18.2.2015)