Griechenland steuert auf den Staatsbankrott zu. Das Gespann Tsipras/Varoufakis weigert sich, das Hilfsprogramm der EU und die dazugehörigen Bedingungen anzunehmen. Der Rest Europas fragt sich: "What makes them tick?" Sind die beiden eiskalte strategische Pokerspieler, die darauf setzen, dass sich die EU einen "Grexident" (Euroaustritt Griechenlands durch einen Unfall) nicht leisten will? Oder sind sie abgehobene linke Ideologen, die unter völligem Realitätsverlust leiden?

Ein guter Teil ihrer Verhandlungspartner unter den EU-Politikern neigt der zweiten Erklärungsvariante zu, die Spiegel online "Revolutionäre im Rausch" nennt. Yiannis Varoufakis lässt ja keinen Zweifel daran, dass er das marktwirtschaftliche System nicht nur für Griechenland, sondern für die ganze EU für falsch hält und umkrempeln möchte. Der Rockstar unter den Finanzministern formuliert das eleganter als seine Groupies in den Internet- Foren, die gegen den "Neoliberalismus", die "EU-Eliten" und das "Großkapital" wüten, aber er meint im Grunde dasselbe.

Varoufakis möchte die Zukunft Griechenlands und der Währungsunion von so mühsamen Bedingungen wie ordentlicher Haushaltsführung und unternehmerischer Wertschöpfung entkoppeln, zumindest auf längere Sicht, und Europa einerseits mit einem "Marshallplan" Deutschlands, aber vor allem mit der (verbotenen) Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank durchfinanzieren. Auf den Kern reduziert heißt das, die EZB erschafft Geld, um ohne irgendeine Anbindung an die Realwirtschaft einen "europäischen Sozialplan" (Varoufakis) zu alimentieren.

Varoufakis überspringt also mit einem riesigen Satz alle konkreten, kleinteiligen, mühsamen Maßnahmen zur Sanierung Griechenlands (und der Eurozone). Premierminister Alexis Tsipras ist in diesem Plan der politische Operateur, der das Volk bei Laune hält ("Wir werden keine Kolonie Merkels!"). Das ist auch der Hintergrund, warum weder Varoufakis noch Tsipras in den Verhandlungen mit der EU irgendwelche konkreten Programme, Zahlen oder Strukturmaßnahmen vorlegten. Varoufakis redete zuletzt in der Eurogruppe eine halbe Stunde vom "Leid der Griechen" (ein Teilnehmer), von sonst nichts. Natürlich ist auch die EU zu Kompromissen bereit. Aber es wurde gar nicht substanziell verhandelt.

Der kurzfristige Plan der beiden ist, dass die EU Griechenland ein halbes Jahr bedingungslos weiterfinanziert, damit die Syriza-Regierung nicht sofort wieder fällt. Die EU wird letztlich mitmachen, darauf wetten Tsipras und Varoufakis, weil sie sich trotz allem vor einem Grexit fürchten. Finanziell wäre ein Austritt verkraftbar, aber politisch wohl nicht. Griechenland im Chaos, mögliche Nachahmer anderswo, Putin mit dem Angebot "Kredit gegen Marinestützpunkte", aber vor allem: die erste Rückabwicklung des Europrojekts - das will sich die EU vermutlich nicht leisten. Varoufakis und Tsipras sind Ideologen, die glauben, mit dem eigenen Land und der EU hasardieren zu können. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 18.2.2015)