Wien – Zwei Mädchen unterhalten sich. "Ich glaube, ich könnte Peter nicht heiraten. Er hat einfach nicht genügend Charakter", sagt die eine. "Aber Anne, du küsst ihn?" – "Ja, loslassen ist auch so schwer." An der Tür steht Peter und lauscht. Wenn Teenager träumen.

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Später wird die eine in ihrem Tagebuch notieren: "Als ich gestern bei Peter war, kamen wir, ich weiß wirklich nicht mehr wie, auf das Thema Sexualität." Es ist Mai 1944, die Schreiberin heißt Anne Frank. Seit 25 Monaten hält sie sich mit ihrer Familie – Vater, Mutter und Schwester Margot – in einem Dachverschlag hinter einer Bücherwand versteckt. Acht Monate später wird sie tot sein, ermordet von Nationalsozialisten im Konzentrationslager Bergen-Belsen.

Man muss das heute so genau erklären, denn es soll junge Menschen geben, denen der Name Anne Frank nichts sagt. 70 Jahre nach ihrer Ermordung steht heute, Mittwoch, 20.15 Uhr, die deutsche Verfilmung der Geschichte des jüdischen Mädchens am Programm.

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Die ARD erinnert in "Meine Tochter Anne Frank" aus der Perspektive des Vaters, der überlebte und das Buch einem niederländischen Verlag übergab, der es 1947 veröffentlichte.

Der Film arbeitet mit dokumentarischen Elementen und Spielszenen, die sich eng an die Vorlage des berühmten Tagebuchs halten. Die Handlung umspannt drei Abschnitte, zwischen denen der Film immer wieder wechselt: Der erste umfasst die Zeit Anne Franks (beeindruckend: Mala Emde) im Versteck in der Amsterdamer Prinsengracht 263 von 6. Juli 1942 bis März 1944. Wir sehen die Enge des Zusammenlebens, die Aggressionen der Bewohner untereinander und Hoffnungen auf ein gutes Leben danach.

Der zweite Erzählstrang zeigt den Vater Otto (Götz Schubert, Foto) im August 1945, wie er an den Ort der Vergangenheit zurückkehrt und sich entschließt, die losen Seiten zum Buch zu machen – und dabei selbst zum Stift griff, um das eine oder andere zu ändern und zu streichen, was seither immer wieder zu abscheulichen Echtheitsdiskussionen führt.

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Schließlich das Jahr 1962, als der Journalist Jules Huf (Axel Milberg) in Wien Karl Silberbauer (Felix Römer) trifft, der als SS-Mann das Versteck aushob. Die Frage, wer den Verrat beging ist ja bis heute unklar. Die stärksten Momente des Films sind die Zeitzeugen-Interviews: Zu Wort kommen Freunde, die auch im Tagebuch erwähnt werden. Miep Gies etwa erinnert sich an die ersten Minuten, als die Familie das neue Heim bezog: "Sie hatten keine Kraft, etwas zu tun." Sie fühle sich wie in einer "sehr eigenartigen Pension", als ob sie in den Ferien sei, schrieb Anne ins Tagebuch. Gies sammelte nach der Verhaftung die verstreuten Seiten zusammen.

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In historischen Interviews ist Annes 1980 verstorbener Vater zu sehen. Meine Tochter Anne Frank (Drehbuch/Regie: Hannah und Raymond Ley) wurde an die 20 Mal verfilmt, allerdings noch nie in Deutschland, und hier ist es der zweite Versuch.

Ein Projekt der Anne-Frank-Stiftung mit dem ZDF wurde verworfen, nachdem es Streitigkeiten mit den Erben gab: Der von Otto Frank gegründete Anne-Frank-Fonds warf dem Sender Respektlosigkeit vor. Zwischen Fonds und Stiftung herrscht seit Jahren Uneinigkeit.

Den Zuschlag bekam schließlich die Produktionsfirma AVE, die zusätzlich einen internationalen Kinofilm mit Lea van Acken, Martina Gedeck und Ulrich Noethen vorbereitet. Hans Steinbichler führt Regie. Der Film soll bis Jahresende in die Kinos kommen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 18.2.2015)