Das Amtsgeheimnis soll abgeschafft werden – nicht allen geht der Regierungsentwurf weit genug.

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Sosehr der endlich stattfindende Paradigmenwechsel zu einem transparenteren Österreich – vom Amtsgeheimnis zum Grundrecht auf Zugang zu Information – auch zu begrüßen ist, wesentliche Punkte der Regierungsvorlage führen leider dazu, dass es sich bei diesem Gesetz um eine Farce handelt.

Abgesehen von strukturellen Überlegungen wie etwa jener, dass ein unabhängiger Informationsbeauftragter wohl eine sinnvolle Ergänzung dieser Neuregelung gewesen wäre, lässt die äußerst freimütige Regelung der Ausnahmen, durch die der Informationszugang verweigert werden kann, Zweifel an der Intention des Gesetzes aufkommen. Denn genau auf diese Ausnahmetatbestände kommt es schließlich in der Praxis an.

Verhältnismäßigkeitsprüfung fehlt

Konkret geht es im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) um den neuen Artikel 22a, Absatz 2. Grundsätzlich bedarf die Einschränkung eines Grundrechts – und ein solches wird hier nun neu formuliert – einer sachlichen Rechtfertigung. Außerdem muss im Einzelfall stets die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, sprich es muss zur Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber denen des Einzelnen kommen. Das neue Gesetz lässt aber diese so essenzielle Verhältnismäßigkeitsprüfung vermissen.

Die Möglichkeiten der Geheimhaltung bestehen bei zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen. Alle anderen Gründe für eine Geheimhaltung müssen noch nicht einmal zwingend sein.

Legitimes öffentliches Interesse

Um eine richtige Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ermöglichen, müsste einerseits bei jedem Geheimhaltungsinteresse die zwingende Notwendigkeit beziehungsweise Erforderlichkeit vorausgesetzt sein, und vor allem müsste andererseits auch eine Formulierung in das Gesetz aufgenommen werden, die das Allgemeininteresse an der Information als legitimes Gegenüber in einer Interessenabwägung mit dem Geheimhaltungsinteresse überhaupt vorsieht.

Mit der momentan vorliegenden gesetzlichen Formulierung reicht jedes Geheimhaltungsinteresse des Staates zur Geheimhaltung einer Information, ohne dass diesem überhaupt ein Allgemeininteresse zur Abwägung gegenübergestellt wird. Dies widerspricht den grundrechtlichen Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention.

In den Materialien ist vorgesehen, dass in das Ausführungsgesetz des Bundes eine Verhältnismäßigkeitsbestimmung aufgenommen werden soll. Das überzeugt nicht. Diese muss von vornherein im B-VG vorgesehen sein – abgesehen davon, dass die Landesgesetzgeber für ihre Ausführungsgesetze explizit nicht verpflichtet werden.

Zeitliches Korrektiv fehlt

Das Recht auf Zugang zu Informationen darf zudem verweigert werden, "soweit" sich deren Geheimhaltung aus davor genannten Gründen ergibt. Hier fehlt eindeutig ein weiteres Korrektiv, nämlich ein zeitliches. Beschränkungen des Rechts auf Zugang zu Information dürfen nur "so lange" aufrechterhalten werden, als sie durch ein überwiegendes legitimes Interesse gerechtfertigt werden.

Blankoermächtigung für Ausnahmen

Nur ein weiterer, aber wahrscheinlich einer der kritischsten Punkte ist, dass der Entwurf selbst nur die Novellierung des B-VG vorsieht, also noch keine weiteren bundes- und (natürlich auch keine) landesgesetzlichen Regelungen vorlegt. Die Unmöglichkeit der Abschätzung von Auswirkungen und Folgen dieses Gesetzes liegt hier wohl auf der Hand. Unterstrichen wird dies durch die quasi Blankoermächtigung zur Einführung weiterer bundes- und landesgesetzlicher Ausnahmen.

Einem solchen Informationsfreiheitsgesetz, welches staatlichen Organen bei jedem Geheimhaltungsinteresse die Möglichkeit gibt, der Allgemeinheit Informationen vorzuenthalten, noch dazu ohne überhaupt eine Prüfung vorzunehmen, ob das Interesse der Allgemeinheit an der Information das staatliche Interesse an der Geheimhaltung überwiegt, kann man jedenfalls nicht zustimmen. Das wäre nämlich ein Informationsfreiheitsgesetz ohne Informationsfreiheit. (Nikolaus Scherak, derStandard.at, 18.2.2015)