Er ist die zweite Wahl, aber mag sich am Ende als loyale, politisch gewinnbringende Kraft für die griechische Links-rechts-Regierung erweisen: Griechenlands Premier Alexis Tsipras zauberte am Dienstag vor der Fraktion seiner Linkspartei Syriza als Präsidentenkandidaten Prokopis Pavlopoulos aus dem Hut. Erwartet worden war seit Wochen der Name des EU-Kommissars für Migration und Inneres, Dimitris Avramopoulos.
Der 64-jährige Pavlopoulos ist wie der amtierende EU-Kommissar ein langjähriger Politiker der konservativen Nea Dimokratia (ND) und somit ein Vertreter ebenjenes politischen Establishments, mit dem Tsipras und sein Linksbündnis brechen wollen. Politisches Kalkül bestimmte die Entscheidung von Tsipras; zwingend scheint sie jedoch vor allem seinen Parteifreunden nicht.
Keine Probleme mit Juncker
Der Weggang von Avramopoulos aus Brüssel hätte Syriza einen Platz in der EU-Kommission verschafft. Diese Option gab Tsipras nun auf. Der Premier wollte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker keine zusätzlichen Probleme bereiten, heißt es in Athen: Avramopoulos hat ein Schlüsselressort, und nach nicht einmal vier Monaten Amtszeit einen Kommissar auszuwechseln zu müssen, wäre für Juncker unerfreulich gewesen. Die Unterstützung des Luxemburgers im Ringen mit der Eurogruppe kann Tsipras dafür allemal gebrauchen.
Gegen Avramopoulos hatten sich zuletzt Stimmen innerhalb von Syriza erhoben. Der Vizechef der Nea Dimokratia sei doch mitverantwortlich für die Sparpolitik der vergangenen Jahre, hieß es. Pavlopoulos, ein Jus-Professor, der in Paris und Athen lehrte, bevor er in die Politik ging, muss sich diesen Schuh nicht anziehen: Als die Finanzkrise 2010 ausbrach, war er vom neuen Chef der ND, Antonis Samaras, schon kaltgestellt worden. Denn der dreifache Vater ist Vertrauter und Exminister von Samaras' parteiinternem Rivalen, dem früheren Premier Kostas Karamanlis (2004-2009).
Sechs Legislaturperioden lang, von 1996 bis 2009, war Pavlopoulos ins Parlament gewählt worden. Seine Wahl zum Staatschef, die der griechischen Regierung eine politisch breitere Basis gibt, gilt als sicher. Doch ein Makel hängt ihm nach, den Syriza-Anhänger nicht vergessen: Pavlopoulos war Karamanlis' Innenminister. Der tödliche Schuss eines Polizisten auf den Schüler Alexandros Grigoropoulos 2008, der wochenlange Ausschreitungen nach sich zog, fiel in seiner Amtszeit. (Markus Bernath, DER STANDARD, 18.2.2015)