Smarte Kontaktlinse: Ein Lidschlag des rechten Auges aktiviert die Fernglasfunktion, die 2,8-fache Vergrößerung bietet. Ein weiteres Zwinkern, diesmal mit links, stellt dann wieder Normalsicht her.

Foto: Eric Tremblay/Joe Ford/EPFL

San Jose / Wien - Die nächsten technologischen Verbesserungen des "Mängelwesens" Mensch dürften buchstäblich ins Auge gehen. In etlichen der avanciertesten Forschungslabors der Welt wird jedenfalls mit Hochdruck daran gearbeitet, die Sicht des Menschen mit smarten Kontaktlinsen zu verbessern und zu erweitern.

Ganz vorne mit dabei ist natürlich Google, wo man gleich an mehreren innovativen Linsen arbeitet: Ein Gadget, das im Vorjahr von den Kaliforniern zum Patent angemeldet wurde, besitzt eine eingebaute Kamera. Eine andere smarte Linse des Suchmaschinenkonzerns soll die Blutzuckerwerte des Trägers messen und bei Schwankungen eine Warnung abgeben. Der Schweizer Medizinkonzern Novartis hat sich die Technologie im vergangenen Jahr bereits lizenziert.

Neue Linsen aus Lausanne

Doch auch in der Schweiz entwickeln Forscher innovative Kontaktlinsen. Eine besonders viel versprechende Erfindung stellten sie dieser Tage bei der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science (AAAS) vor, der größten wissenschaftlichen Gesellschaft der Welt, die auch das Wissenschaftsjournal "Science" herausgibt. Und was Eric Tremblay von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) im kalifornischen San Jose präsentierte, war zweifellos einer der technologischen Höhepunkte der Veranstaltung.

Erst seit 2013 arbeiten die Wissenschafter um Tremblay mit Kollegen aus den USA an der Kontaktlinse und werden dabei von Darpa unterstützt, der Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums. Ursprünglich sollte die Kontaktlinse nämlich als eine bionische Sichtverbesserung für Soldaten dienen. Doch nun scheint sich ihr Zielpublikum etwas verschoben zu haben.

Wie Tremblay sagt, soll damit vor allem Personen mit altersbedingter Makuladegeneration geholfen werden. Bei dieser Erkrankung lässt die zentrale Sehschärfe durch den Funktionsverlust im Punkt des schärfsten Sehens nach, was zu einer hochgradigen Sehbehinderung oder Blindheit führen kann. Die Linse, die schon 2017 marktreif sein wird, soll das ausgleichen. Doch das, was sie kann, macht sie womöglich auch für Normalsichtige interessant. Ihr eingebautes Teleskop erlaubt es nämlich, Objekte im Sichtfeld bis zu 2,8-fach zu vergrößern.

Mit 1,55 Millimetern Dicke ist die neuartige Sehhilfe nur geringfügig dicker als eine normale Kontaktlinse und nicht allzu auffällig. In der Mitte weist sie mehrere Ringe auf, die für den Fernglas-Effekt verantwortlich sind. Dieser Teil besteht aus kleinen Spiegeln, die das durch die Mitte einfallende Licht reflektieren, wodurch der Teleskop-Effekt erzeugt wird. Feine Luftkanäle mit einem Durchmesser von 0,1 Millimetern versorgen das Auge mit ausreichend Sauerstoff, um auf diese Weise den Tragekomfort zu erhöhen.

Sensor steuert Aktivierung

Aktiviert wird das extrem dünne Fernglas durch ein Zwinkern des rechten Auges. Zwinkert der Träger erneut, diesmal aber nur mit dem linken Auge, geht die smarte Linse wieder zurück in den Normalsichtmodus. Ein spezieller Sensor soll dabei zwischen Zwinkern und Blinzeln unterscheiden können, um ungewolltes "Fernsehen" zu vermeiden. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 18.2.2015)